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Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss
Autoren: Laini Taylor
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stundenlang in ihrem Tabernakel ein und beobachtete durch die Augen ihrer Spione, wie sich in fernen Ländern das Leben von Menschen fortbewegte. Und durch Zaranyas Augen beobachtete sie Mihai. Vielleicht hätte er nie erfahren, wie oft sie ihn anschaute oder wie trügerisch ihre vorgetäuschte Gleichgültigkeit war, wenn Isvant sich nicht eingemischt hätte.
    »Ich werde ihn umbringen«, hörte er den Jäger zu Erezav sagen. Die beiden befanden sich drei Türme entfernt im Naxturu-Turm, und Mihai hätte sie eigentlich gar nicht so klar verstehen dürfen, aber er hatte dem Wind etwas zugeflüstert, und der trug die Worte daraufhin zu ihm.
    »Sie beobachtet ihn«, antwortete Erezav. »Sie wird es erfahren.«
    »Sie kann ihn nicht ewig beobachten«, knurrte Isvant. Und plötzlich fauchte er wütend: »Was sieht sie schon? Sie betrachtet den Naecish genauso wie die Menschen. Eingesperrt mit ihrem Spiegel! Was gibt es da schon zu sehen außer einem Verbannten, der an die Bestien verfüttert werden sollte?«
    »Oder eine Bestie werden sollte«, fügte Erezav hinzu.
    Isvant lachte grässlich. Druj lachen nicht oft, denn sie wissen nicht, was Humor ist. Und dieses Lachen rührte nicht von Belustigung her, sondern war nur ein geronnenes Rachefauchen, das nach einem fürchterlichen Kichern klang. »Ja«, sagte er. »Aber nur Mazishta hat die Macht, und solange er sie in ihren Bann zieht, wird sie es nicht tun.«
    »Sie wird nicht ewig von ihm in Bann geschlagen sein«, meinte Erezav.
    »Nein. Aber ich will nicht warten, bis sie seiner überdrüssig ist. Ich töte ihn, wenn sie nicht zuschaut –«
    »Sie schaut immer zu.«
    »Nicht immer. Nicht bei Vollmond.«
    Die Königin begab sich bei Vollmond für gewöhnlich auf die Plattform auf ihrem Turm. Sie stand dann mit zurückgelegtem Kopf da, ließ das weiße Licht auf sich strahlen und lud sich mit seiner Kraft auf. Mihai konnte sich in diesem Moment an das erste Mal erinnern, als sie das Mondlicht getrunken hatte, vor langer, langer Zeit. Er hatte an ihrer Seite gestanden und gesehen, wie sie von innen erleuchtet wurde. Damit hatte alles angefangen. Wenn sie nur damals den Preis für ihre Macht geahnt hätten.
    »Sie wird es bemerken, wenn du nicht eine andere Gestalt annimmst«, sagte Erezav nun zu Isvant.
    »Nein«, widersprach der verbittert, »sie achtet gar nicht mehr auf mich.«
    Und so traf Mihai Vorkehrungen, um sein Leben zu schützen, und er sorgte dafür, dass Isvant ihn nicht überraschte. Allerdings legte sich dadurch eine neue Schicht Verzweiflung über seine Existenz in Tajbel. »Sie wird nicht immer von ihm in Bann geschlagen sein«, hatte Erezav gesagt. Mihai konnte sich das gut vorstellen. Hier konnte er jedenfalls nicht bleiben, das würde kein gutes Ende für ihn nehmen. Fliehen konnte er jedoch auch nicht. Es gab auf der ganzen Welt keinen Ort, an dem er sich verstecken könnte, falls die Königin sich entschied, ihn zu verfolgen, und … er wollte gar nicht fliehen. Selbst wenn sie keine Seele hatte, rief doch der Anblick ihres Gesichts seine ältesten Erinnerungen wach: an ihre Haut, die sich warm unter seiner anfühlte. An ihren Bauch, prachtvoll mit ihren Kindern darin. An ihre Töchter, weich wie Samt und dunkeläugig.
    Erinnerungen, die in einem Schwebezustand blieben.
    Erst als die Izha der Königin schwanger wurde, gestand Mihai sich den Plan ein, der in den Schatten seines Verstandes herangereift war – und der mit dem Leben zu tun hatte, das in dem rothaarigen Mädchen wie eine Perle heranwuchs. Dreizehnmal war sein eigener Animus in die Dunkelheit einer ungestalteten Seele gezogen und mit ihr verwachsen. Doch dachte er nicht an seinen eigenen Animus, wenn er jetzt die sanfte Wölbung des anschwellenden Bauches betrachtete. Er dachte an den der Königin.
    Er war sehr vorsichtig und wartete bis zu einem Vollmond, als die Schwangerschaft des Mädchens schon fortgeschritten war und sich alle anderen Druj – Isvant eingeschlossen − in Wölfe, Eulen und Hirsche verwandelten. Erst dann ging er zur Königin.
    »Mazishta«, sagte er. »Was wäre, wenn ich wüsste, wie du in den Nebel gehen und all die Erinnerungen einfangen kannst, die immer davontanzen, sobald du nach ihnen greifst?«
    Ihre Augen funkelten.
    »Der alte Gott hat uns den Nebel in den Kopf geblasen. So sollten wir blind bleiben und nicht erfahren, was wir waren, und nicht den Weg zurück finden. Es gibt aber einen Weg, doch ist der durch ein Tabu versperrt.«
    »Welches Tabu?«,
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