Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Kuss

Der verbotene Kuss

Titel: Der verbotene Kuss
Autoren: Laini Taylor
Vom Netzwerk:
grünen Tuch überreden. »Also gut. Danke.«
    Jack Husk bezahlte bei der Frau hinter dem Tresen, die den Blick nicht von ihm hatte abwenden können, seit er den Laden betreten hatte. Er drehte sich zu Kizzy um, zog die neue kaputte Taschenuhr heraus und tat so, als würde er die Zeit ablesen. »Dann wäre jetzt wohl die Zubereitung des Festmahls an der Reihe.«
    »Festmahl!«, höhnte sie. »Wohl eher Elch-Burger. Mit meiner Geheimzutat, versteht sich.«
    »Ach ja? Und die wäre?«
    »Also, die Geheimzutat sollte eigentlich Liebe sein. Aber ich habe sie durch Hohn ersetzt. Nur eine Prise. Die reicht schon.«
    »Klingt köstlich«, antwortete er. »Komm. Ich bringe dich nach Hause.«
    »Okay.«
    Es war viel leichter, als Kizzy gedacht hätte, mit einem wunderschönen Jungen durch die Stadt zu gehen und sich über Dinge zu unterhalten wie den Fettgehalt von Elchfleisch oder die aerodynamischen Eigenschaften von Pizza, und über die Idioten an der Sankt Pockennarbe, über Aberglaube, Marshmallows und den Tod.
    »Meine Großmutter ist letzten Sommer gestorben«, erzählte Kizzy, selbst überrascht, wie die Worte aus ihr hervorsprudelten.
    »Ach. Tut mir leid, das zu hören. Ist sie hier beerdigt?« Er zeigte auf den Friedhof, an dem sie gerade vorbeigingen.
    »Nee. Wir begraben unsere Knochen in unserer eigenen Erde.«
    »Tatsächlich? Warum?«
    Kizzy zuckte mit den Schultern. »Meine Familie ist ein wenig seltsam.« Sie würde Jack Husk nichts über die Schwanenflügel und Gesänge verraten, und auch nichts über die Geister, die aus dem Grab schlichen, um zu ihrem nächsten Abenteuer aufzubrechen. »Ist dein Onkel dort begraben?«, fragte sie.
    »Ja. Eingeäschert.«
    »Oh.« Kizzy schauderte. »Gott.« In ihrem Volk glaubte man, die Seele werde durch Verbrennung im Körper eingesperrt und dann in Millionen von Ascheflocken aufgelöst. »Hast du ihn gut gekannt?«
    »Fast gar nicht.« Jack Husk trug noch immer die Fliegerbrille, die einen Teil seiner Schönheit verdeckte, aber nicht den aufregendsten Teil: die roten Lippen. Kizzy konnte sie kaum anschauen, ohne ans Küssen zu denken. Oder daran, geschmeckt zu werden.
    Viel zu bald erreichten sie die Weihnachtsbaumschule. Die ordentlichen Reihen von Tannen erstreckten sich bis zu den dunstigen Hügeln, wo Kizzys Onkel auf die Jagd gingen. »Ach, ist doch immer wieder schön zu Hause«, seufzte Jack Husk und zeigte auf den kleinen Wohnwagen.
    Kizzy sah ihn sich an. Solange der alte Mann noch dort gewohnt hatte, war ihr der Wohnwagen kaum aufgefallen. Der Alte war immer draußen bei der Arbeit gewesen, hatte Bäume gepflanzt oder sie ausgegraben oder gefällt. Er hatte an seinen Hosenträgern gezogen und ihr manchmal zugewinkt, wenn sie vorbeiging, und sie hatte zurückgewinkt, vermutlich ohne große Begeisterung. Nie hatte sie sich vorgestellt, wie er in diesem Wohnwagen lebte. Aber jetzt drängte sich ihr das Bild auf, wie Jack Husk im schmalen Bett des Toten schlief. »Süß«, sagte sie wenig überzeugend.
    »Wie ein Sarg«, antwortete er.
    Der fette Hund hob den Kopf langsam und betrachtete sie. »Hast du ihn ebenfalls geerbt?«, fragte Kizzy.
    »Schätze schon.«
    »Das ist der faulste Hund, den ich je gesehen habe«, sagte sie. Aber dann fletschte dieser faule Hund, der Hund, an dem Kizzy jeden Tag vorbeiging und der sonst nicht einmal Lust zu bellen hatte, die Zähne und knurrte.
    »Tja, ich glaube, er mag mich nicht besonders«, sagte Jack Husk, während das Knurren lauter wurde.
    »Scheint mir auch so.«
    Der fette alte Hund erhob sich sogar, was Kizzy bisher selten beobachtet hatte, senkte den Kopf und knurrte richtig böse, und er wirkte bedrohlicher, als sie es je für möglich gehalten hätte. Jack Husk runzelte die Stirn und schob die Brille hoch, sodass sein Haar in Büscheln in die Höhe stand. Jeder andere hätte dadurch dümmlich ausgesehen, aber er machte den Eindruck, als stehe er Modell für eine dieser Modereihen im Rolling-Stone -Magazin, bei denen gelangweilte Schönheiten herumlungerten, als würden sie auf den Bus ins Fegefeuer warten. Und meistens entblößten sie dabei noch irgendwie zufällig die Brustwarzen. »Na ja«, sagte er, »ich sollte mich mal um ihn kümmern.«
    »Was willst du denn machen?«
    »Willst du eine ehrliche Antwort? Ich mache einen weiten Bogen um ihn und schleiche mich von hinten zum Wohnwagen. Aber ich warte, bis du gegangen bist, damit du nicht siehst, wie ich davonrenne, wenn er sich auf mich stürzt.«
    Kizzy
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher