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Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis

Titel: Der unglueckliche Moerder - Roman - Ausgezeichnet mit dem Skandinavischen Krimipreis
Autoren: H kan Nesser
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Brusttasche seiner Weste.
    »Das ist unser Los«, sagte er. »Wen die Götter verabscheuen, lassen sie am längsten leiden. Partie?«
    Van Veeteren nickte, und Mahler fing an, die Figuren aufzustellen.
     
    Die erste Partie dauerte vierundfünfzig Züge, fünfundsechzig Minuten und drei Bier. Van Veeteren akzeptierte Remis, obwohl er ein Übergewicht von einem Bauern hatte, da es sich um einen Eckbauern handelte.

    »Dein Sohn«, fragte Mahler, nachdem er sich eine Weile am Bart gezupft hatte. »Haben sie den Arsch endlich erwischt?«
    Van Veeteren leerte sein Glas, ehe er antwortete.
    »Vermutlich«, sagte er. »Aber die Nemesis scheint schon vorher zugeschlagen zu haben.«
    »Wie meinst du das?«
    »Er ist wohl irgendwo vergraben worden, wenn ich das richtig verstanden habe. Erpressungsgeschichte. Erich war nur eine Spielfigur ... diesmal hat er sich wenigstens nicht die Hände schmutzig gemacht. Seltsamerweise ist mir das ein kleiner Trost. Aber ich hätte diesem Arzt gern in die Augen gesehen.«
    »Arzt?«, fragte Mahler.
    »Ja. Die sollen Leben erhalten, aber dieser hier ist andere Wege gegangen. Hat lieber Leben ausgelöscht. Ich werde dir alles erzählen, aber lieber ein andermal. Wenn du einverstanden bist. Ich brauche doch zuerst ein wenig mehr Distanz.«
    Mahler dachte eine Weile nach, dann bat er um Entschuldigung und ging zur Toilette. Van Veeteren drehte sich derweil fünf Zigaretten. Was zwar seiner geplanten Tagesration entsprach, die er allerdings in den letzten Wochen gesteigert hatte.
    Und was spielte es schon für eine Rolle? Fünf Zigaretten oder zehn?
    Mahler brachte zwei weitere Bier.
    »Ich habe einen Vorschlag«, sagte er. »Wir machen einen Fischer.«
    »Fischer?«, fragte Van Veeteren. »Was bedeutet das?«
    »Ja, weißt du, das ist der letzte Beitrag, den dieser reizende Mensch zum Schachspiel beigesteuert hat, die Figuren werden willkürlich aufgestellt, Figur gegen Figur natürlich. Um sich diese verdammten Analysen bis zum zwanzigsten Zug zu ersparen. Der König zwischen den Türmen, das ist die einzige Bedingung.«
    »Das kenne ich«, sagte Van Veeteren. »Ich habe darüber gelesen.
Ich habe sogar eine Partie studiert, es sah ziemlich bescheuert aus. Ich hätte nie gedacht, dass ich es selber auch probieren müsste ... analysierst du wirklich bis zum zwanzigsten Zug?«
    »Immer«, sagte Mahler. »Also?«
    »Wenn du darauf bestehst«, sagte Van Veeteren.
    »Ich bestehe darauf«, sagte Mahler. »Prost.«
    Er zwinkerte mit den Augen und griff in die Dose.
    »Reihe?«
    »C«, sagte Van Veeteren.
    Mahler stellte seinen weißen Turm auf C 1.
    »Herrgott«, sagte Van Veeteren und schaute ihn sich an.
    So machten sie weiter. Nur ein Läufer landete in seiner ursprünglichen Position, die Könige waren auf E, die Damen auf G.
    »Das Pferd in der Ecke macht sich gut«, sagte Mahler. »Los geht’s.«
    Er ersparte sich seine übliche Anfangskonzentration und spielte E 2 — E 3.
    Van Veeteren stützte den Kopf in die Hände und starrte die Aufstellung an. Blieb zwei Minuten ganz und gar bewegungslos sitzen. Dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und sprang auf.
    »Satan! Ich könnte schwören ... entschuldige mich mal kurz!«
    Er zwängte sich aus der Nische.
    »Was ist denn in dich gefahren«, rief Mahler, aber er bekam keine Antwort. Der Kommissar hatte sich schon zu einem der Telefone in der Eingangshalle durchgedrängt.
     
    Das Gespräch mit Reinhart dauerte fast zwanzig Minuten, und als er zurückkam, hatte Mahler wieder zu seinem Notizbuch gegriffen.
    »Sonette«, erklärte er und betrachtete seine erloschene Zigarre. »Wörter und Form. Wir sehen die Welt mit vierzehn Jahren
und vielleicht auch früher ganz klar. Danach brauchen wir fünfzig Jahre, um uns eine Sprache zuzulegen, in die wir diese Eindrücke kleiden können. Die inzwischen natürlich verblasst sind ... was zum Teufel war los mit dir?«
    »Du musst entschuldigen«, sagte Van Veeteren noch einmal. »Ab und zu werden wir eben sogar im Herbst des Lebens noch vom Blitz getroffen. Diese verdammte Aufstellung muss ihn herbeigelockt haben.«
    Er zeigte auf das Brett. Mahler musterte ihn über seine alten Brillenränder hinweg.
    »Du redest in Rätseln«, sagte er.
    Die Zeit der Aufklärung war jedoch noch nicht gekommen. Van Veeteren trank einen Schluck Bier, zog einen Läufer aus der Ecke und gab sich Feuer.
    »Der Zug des Poeten«, stellte er fest.

VI

36
    Kommissar Reinhart traf am Freitag, dem 18. Dezember, um 14.30 Uhr
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