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Der ungeladene Gast

Der ungeladene Gast

Titel: Der ungeladene Gast
Autoren: S Jones
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zwar schon seit der Zeit Königin Viktorias, und ein großer Teil von ihr lebte immer noch in dieser Zeit der Trauer und der Zurückgezogenheit. Wenn sie in ihrer schwarzen Seide und den geknöpften Stiefeln in den Tiefen des alten Hauses umherging, um Backpulver oder Mehl aus den Regalen zu holen, konnte man das Gefühl haben, sie passe viel besser in das alte als in das neue Haus.
    Sie und ihr Mann waren mit Charlotte bekannt gewesen, bevor diese Horace kennenlernte, und gingen nach ihrer Heirat bei den beiden in Stellung. Die genaue Art und Weise ihrer Bekanntschaft war den meisten, außer ihnen selbst, unklar, aber zu ihrer Ehre hatte sich Florence Trieves zu einer ausgezeichneten Hauswirtschafterin entwickelt. Sie war einst, wie Charlotte, eine Schönheit gewesen; die beiden mussten mit zwanzig, in Bloomsbury, vor ihren jeweiligen Eheschließungen, ein beeindruckendes Bild abgegeben haben. Florence Trieves’ Verzicht auf ein romantisches Leben – und auf jede Mode – hatten viel zu dem Bild beigetragen, das Emerald und Clovis von einer Witwenschaft hatten, und ließen die schnelle Wiederverheiratung ihrer Mutter im Gegensatz dazu umso schockierender scheinen.
    »Wir können über die Gästezimmer reden, wann immer Sie wollen, Miss Em, aber dadurch werden auch nicht mehr von ihnen bewohnbar«, sagte Florence Trieves. Sie hatte die Gewohnheit, beim Sprechen an der kleinen Uhr herumzuspielen, die sie an ihren steifen Busen geheftet trug. »Miss Sutton wird das Zimmer neben Ihrem bekommen und Mrs Sutton das gestreifte am Ende des Flurs. Und um den Kuchen machen Sie sich mal keine Sorgen, aber ich werde nicht mit Ihnen darüber reden. Wer hätte denn je gehört, dass ein Mädchen sich um seinen eigenen Geburtstagskuchen kümmern muss.«
    Sehr viel unbeschwerter lief Emerald los, um sich für den Ausritt umzuziehen: ein Überraschungskuchen, den sie nicht selbst backen musste; eine Freundin aus Kindertagen mit dem Zug unterwegs, um sie zu besuchen, und kein Stiefvater bis zum Sonntag … kindliche Aufregung über ihren (man durfte das Wort nur flüstern) Geburtstag durchflutete sie.
    Grellgrüne neue Grashalme zwängten sich durch die Ritzen des Kopfsteinpflasters auf dem Hof vor den Ställen; eine weitere Aufgabe für Roberts Sohn Stanley, den Stalljungen, aber auf Sterne gab es so viele drängendere Arbeiten zu erledigen, und es war schier unmöglich, die Pferde jetzt, wo sie ihr Winterfell verloren, in einem einigermaßen gepflegten Zustand zu halten. Wenn es regnete, verkrustete der Matsch auf ihrem Fell zu harten Fladen, die beim Trocknen rissig wurden und so fest an ihnen klebten wie feuchtes Mehl auf einem Tisch nach dem Brotbacken. Der junge Stanley konnte stundenlang daran herumkratzen, während Ferryman oder Levi – oder welches Pferd auch immer – mit schläfrig hängenden Ohren und nickendem Kopf eindöste, bis die Uhr leise schlug oder Robert ihn anherrschte, gefälligst voranzumachen. Dann war er plötzlich wieder ganz in der Gegenwart mit all den vielen Dingen, die noch zu tun waren, gab dem Pferd einen Klaps aufs Hinterteil und schalt sich für seine Selbstvergessenheit.
    Da sein Vater mit Mr Edward zum Bahnhof gefahren war, oblag es Stanley, Levi und Ferryman für den Ausritt fertig zu machen. Vater und Sohn waren entsprechend Roberts unumstößlichem Gesetz immer schon um fünf Uhr morgens auf den Beinen und arbeiteten vor dem Frühstück zwei Stunden, also hatte Stanley einen guten Teil des Vormittags Zeit, die Pferde schön zu machen. Mit seinen gerade mal dreizehn Jahren war Stanley, der ohne Mutter aufwachsen musste, ein bisschen in Emerald verliebt und fettete Levis Hufe ganz besonders sorgfältig ein.
    Edward Swift war (wie auch Horace Torrington vor ihm) sehr genau in allem, was mit den Pferden zu tun hatte, und duldete nicht, dass seine Stiefkinder die Pferde, oder die Pferdeknechte, warten ließen. Clovis, der sein ganzes Leben lang mit seinem Vater ausgeritten und ein zwar verwegener, aber auch rücksichtsvoller Reiter war, gab sich im Beisein von Edward in diesen Dingen gern nonchalant, kam zu spät und nachlässig gekleidet angeschlendert, ließ es Robert gegenüber – den er liebte – an Höflichkeit mangeln und den Pferden – die er noch mehr liebte – jede Zappeligkeit und Ungebärdigkeit durchgehen. War sein Stiefvater allerdings nicht da, kehrte er sofort zu seiner guten Erziehung zurück, sodass es eine Freude war, ihn so, wie Emerald es nun tat, in seinem Umgang mit den
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