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Der unersättliche Spinnenmann

Der unersättliche Spinnenmann

Titel: Der unersättliche Spinnenmann
Autoren: Pedro Juan Gutierrez
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großer, schlanker Mulatte mit langen, herabhängenden Armen. Sie haben drei Kinder. Alles Jungs und noch klein. Vielleicht ein, zwei und drei Jahre alt. Der Typ redet wie ein Wasserfall. Sie genauso. Sie reden laut und achtlos. Unter einer Palme in der Nähe sitzen zwei Frauen mit zwei kleinen Mädchen. Der Typ und seine Frau reden mit den beiden. Sie beschweren sich über die hohen Preise in den Läden. Die beiden Frauen nicken. Nur ab und zu werfen sie ein:
    »Das stimmt. Ja, ja, so ist das.«
    Die Frau mit den blond gefärbten Haaren geilt sich daran auf, die Preise aller Dinge um uns herum zu schätzen.
    »Siehst du den Schwimmring da? Der dahinten, der hübsche rot-grüne. Mindestens vierzig Dollar. Und die Sonnenschirme kosten sechzig Mäuse oder mehr. Da kann keiner mehr mit! Da kann keiner mit!«
    Ihr Mann redet noch lauter. Schreit fast. Er hat eine schlechte Aussprache.
    »Als die hier den ersten kriegte, hab ich für … na, für beinahe dreißig Dollar eingekauft. Und ich bin in einen Laden in Havanna gegangen, um die Wiege zu kaufen. Wir sind aus Bauta. Da gibt’s so was gar nich. Ich musste bis nach Havanna kommen, weil die hier unbedingt so ‘ne Karre wollte …«
    »Kinderwagen, Elí«, berichtigt die Frau.
    »Gut, ‘nen Kinderwagen … Stellt euch vor, die billigsten kosteten achtzig Dollar! Da bin ich gleich wieder um und hab ihr gesagt: ›So viel is keine Karre wert! Windeln, und das war’s.‹ Is alles viel zu teuer, hält doch keiner aus.«
    Unterdessen sammeln sie ein verwaschenes Handtuch ein, ihre paar Klamotten und total abgewetzte Schuhe. Der Mann sagt zu seiner Frau, dass sie morgen was zu essen mitbringen wollen, damit sie nicht so früh gehen müssen. Die Frau hört nicht zu. Sie läuft umher. Geht bis zum Wasser. Kommt zur Palme zurück. Sieht sich um, schimpft die Kinder aus, schreit sie wüst an.
    »Lass deinen Bruder in Ruhe und hör auf, Scheiß zu machen, bist schließlich der Älteste. Schämst du dich denn nicht? Oder hast du ‘ne Schraube locker?«
    Sie schnappt sich den Jungen und gibt ihm eine Kopfnuss. Der Junge von vielleicht drei Jahren schaut belämmert drein, weint aber nicht. Er hebt nur abwehrend den Arm und zieht den Kopf ein. Ich verlor keine Zeit und ging zu ihnen rüber:
    »Ihr geht schon?«
    »Ja, die Jungs haben Hunger«, antwortete sie mir.
    Ich rief Julia:
    »Titi, komm her. Die gehen schon.«
    Zu dem Typen sagte ich:
    »Kumpel, ich hab gehört, wie du gesagt hast, du bist aus Bauta.«
    »Ja, wir sin … na, eigentlich nich. Sie hier is von hier, aus Guanabo. Und ich bin aus Bayamo, der heißen Gegend. Aber wir wohnen seit Ewigkeiten in Bauta. Seit die hier ihr erstes Kind gekriegt hat.«
    »Ahh.«
    »Wieso?«
    »Einfach so, weil ich wissen wollte, ob du was weißt über die Vergiftungen, die es dort gegeben haben soll, in einer Pizzeria. Zwei oder drei Tote.«
    »Ja. Und in Colón auch. Und noch woanders, ich weiß nich mehr, wo. Ein paar Italiener soll’n dem Besitzer einer privaten Pizzeria fünfzehnhundert Dollar gegeben ham, und so ‘n Pulver, das sollte er auf die Pizzas streuen. Aber sie haben nich gesagt, dass es Gift war, sondern nur, dass die Leute Dünnschiss davon bekommen.«
    »Ah. War das wirklich so?«
    »Das sagen jedenfalls die Leute. Der Typ hat die Scheine genommen und ‘n paar über den Jordan geschickt, denn es war wirklich Gift. Is wohl selbst dabei drauf gegangen.«
    Die Blonde war näher gekommen. Sie hatte einen attraktiven Körper und ein hübsches Gesicht, ganz weiße Zähne. Sie lächelte kokett und anmutig. Keine Ahnung, wie sie einen so fetten Hängebauch haben konnte. Ihre Augen leuchteten voll Energie. Sie sagte:
    »Das ist die Konterrevolution. Die Leute soll’n Angst kriegen.«
    »Angst wovor?«, fragte ich.
    Ihre Antwort interessierte mich nicht, aber so konnte ich sie mir genau ansehen. Sie war wirklich eine sehr attraktive, kraftvolle Frau. Sie hatte ein dichtes, schwarzes Kraushaarbüschel zwischen den Schenkeln. Es lugte unter dem Bikinihöschen hervor. Auch ihre Achselhöhlen waren unrasiert. Sie hatte viele Haare. Jetzt hob sie die Arme, um sich das feuchte Haar glatt zu streichen, und sah mich dabei herausfordernd an. Vielleicht war das schon eine Gewohnheit für sie, wenn ein Mann in ihre Nähe kam. Irgendeine Geste machen, ein bisschen was zeigen.
    »Angst vor … ich weiß nicht. Angst eben«, antwortete sie.
    »Für fünfzehnhundert Dollar würd ich … ahh, klar doch. Is ‘ne Menge Geld! Da dreh ich glatt
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