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Der Tyrann von Hades

Der Tyrann von Hades

Titel: Der Tyrann von Hades
Autoren: Colin Kapp
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Alternativen. Ein Teil der Menschen mußte die Schale verlassen, damit den übrigen ausreichend Lebensraum blieb. Selbst die schwindelerregende Fläche von dreizehn Trillionen Quadratkilometern, die zum Teil noch unterbevölkert war, reichte nicht aus, um das nahezu exponentielle Bevölkerungswachstum aufzufangen. Eine Sättigung wäre gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch der Infrastruktur und einer Erschöpfung der Rohstoffe gewesen. Sollte die Saturn-Schale jemals vollständig bevölkert sein, würde man in nur dreißig Jahren eine weitere von ihrer Größe benötigen, und dreißig Jahre später noch einmal zwei!
    Deshalb war die Zwangsauswanderung eine – wenn auch schmerzhafte – Notwendigkeit, und der Respekt für sie zählte zu den fundamentalen Glaubenssätzen aller Gesellschaften auf der Schale, ungeachtet aller sonstigen Unterschiede. Ein stetiger Strom von Auswanderern mußte aus den riesigen Einzugsgebieten zu den Speichenterminals transportiert werden. Deshalb waren um die Terminals herum gewaltige Verkehrszentren entstanden, die jede Art von Fracht- und Passagiertransporten abwickelten. Ballungszentren wie Zapoketa verdankten ihre Entstehung dieser Infrastruktur.
    Imref Varter behielt seine stoppelige Haarpracht bei, hatte aber den sackartigen, verschlissenen Mantel gegen einen unauffälligeren grauen Anzug in einwandfreiem Zustand eingetauscht, um Dil Carras abzuholen, der einen vierundzwanzigstündigen Flug in einem Exosphärenschiff hinter sich hatte. Varter befand sich jetzt auf dem Weg durch die riesige Halle des Terminals zu den Flugsteigen der Exosphärenschiffe. Die langen Schlangen der Auswanderer, die auf ihre Flüge warteten, bedrückten ihn. Man hatte sie aus ihren Leben gerissen, und jetzt warteten sie bleich und aufgeregt oder in Tränen aufgelöst darauf, daß sie die Shuttles bestiegen, die sie wegbringen würden. Aber wohin? Sie waren die Nachkommen von Auswanderern von den inneren Schalen, und die Logik diktierte, daß sich dieses Muster in den Außenregionen Solanas fortsetzte. Bedauerlicherweise verkehrten die Shuttles aber nur in eine Richtung, und bis jetzt war es noch keinem Auswanderer gelungen, zurückzukehren und von seinem Schicksal zu berichten.
    Varter riß sich vom Anblick der Menschenschlangen los und beschleunigte seine Schritte. Sein verstauchter Knöchel verlieh seinem Gang eine fröhliche, wogende Note, als er versuchte, rechtzeitig den Flugsteig zu erreichen, durch den Dil Carras treten würde. Dil war einmal ein guter Außendienstler gewesen, aber er kannte sich mit dem Leben in einem Mega-Ballungszentrum wie Zapoketa nicht aus. Und die letzten Jahre, die er in der Verwaltung verbracht hatte, dürften seine Instinkte nicht gerade geschärft haben. Seine Bestürzung angesichts des überwältigenden Gewimmels würde ihn sofort als Fremden verraten, und damit war er Freiwild für die unzähligen Betrüger, Taschendiebe, Räuber, Erpresser und anderen Kriminellen, denen die Abermillionen Reisenden ein geradezu fürstliches Auskommen garantierten. Auf den ersten Blick schien der Gedanke zwar lächerlich, daß ein erfahrener Agent zur leichten Beute von Kleinkriminellen werden sollte, aber genau dieser Punkt machte Imref Sorgen: Gerade weil Dil sich unangreifbar fühlen würde, schwebte er in Gefahr.
    Plötzlich stockte die Menge und hielt Imref für einige Augenblicke auf, und als er sich durch die dichtgedrängten Menschen gekämpft hatte, war Dil Carras bereits durch den Flugsteig gekommen. Carras stand wie vom Blitz getroffen da. Ein falscher Kontrolleur in Uniform hatte ihm bereits das Rückflugticket abgeknöpft. Imref hegte nicht den leisesten Zweifel daran, daß das Ticket, das ungefähr ein Drittel seines Jahresgehalts gekostet hatte, bereits an einen auf einen Stand-by-Flug wartenden Passagier verkauft worden war. Möglicherweise würde es ihnen gelingen, das Ticket zurückzuerhalten oder es zu stornieren, aber die Chancen standen gut, daß in der dabei entstehenden Aufregung Dils Gepäck verloren gehen würde, ganz zu schweigen von seiner Brieftasche.
    Eine alte Dame stolperte im Gedränge und fiel zu Boden. Carras setzte an, ihr beim Einsammeln der wenigen kläglichen Besitztümer zu helfen, die aus ihrer Tasche gefallen waren. Varter stöhnte, warf Carras einige Sicherheitsarmbänder zur Sicherung seines Gepäcks zu und zwängte seinen Vorgesetzten durch die Menge. Schließlich gelangten sie zum Hover-Taxistand. Varter griff nach der Tür eines bereits
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