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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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Verbrechen angeklagt. Sie trugen die Schuld ihres Herrn und auch seine Strafe dafür, und der Henker verfuhr mit ihnen so, wie es Reckel für Richter Girigel selbst prophezeit hatte. In einem schnellen, nichtöffentlichen Verfahren wurden sie abgeurteilt, unter dem Beifall der Menge etliche Wochen nach der Hochzeit in Burghausen gerädert, aufs Rad geflochten und ihre sterbenden Körper dem Volk vorgestellt. Die Gnade, daß der Henker das Rad zu Anfang oder wenigstens zum Schluß auf ihren Nacken hätte fallen lassen, wurde ihnen nicht zuteil. Die Gründe für das Todesurteil wurden niemals bekanntgemacht, und soweit ich weiß, fragte aus der Menge der Schaulustigen auch niemand danach. Daß das Urteil in Burghausen vollzogen wurde, machte jede Verbindung zur Hochzeit des jungen Herzogs in Landshut unmöglich.
    Daniel Löw war, anders als den zuletzt Verhafteten aus dem Kreis von Reckeis Freunden, nichts geschehen. Er war zu spät nach Burghausen gebracht worden, als daß sich die Angst und der Zorn des Richters noch an seiner Person hätten entladen können. Wohl lag er im Kerker und hörte das Flehen der Unglücklichen durch das Loch in der Decke, das in den Verhörraum führte, aber der Vorfall hinterließ nicht viele Spuren an ihm; er war eine zu optimistische Natur, um darüber in Trübsinn zu verfallen, und vielleicht half ihm auch die Tatsache darüber hinweg, daß er diejenigen Männer Johannes Reckeis, die nicht reisefähig waren, weitestgehend gesundpflegte. Sie verdankten den Umstand, daß ihnen die Folter keine bleibenden körperlichen Schäden zugefügt hatte, seiner umsichtigen und rastlosen Pflege.
    Albert Moniwid mußte der Arm nochmals ausgerenkt werden; auch das wurde von Daniel Löw veranlaßt. Der Knappe hatte in seinem ungeschickten Versuch, seinen Herrn zu kurieren, eine Ader eingeklemmt. Es dauerte einige Tage, bis er den rechten Arm wieder vollends gebrauchen konnte, und die Prozedur des erneuten Aus- und Wiedereinrenkens war eine ganz spezielle Tortur für ihn, die ihm die schadenfrohe Hälfte meiner Seele von Herzen gönnte. Nachdem das Schlimmste überstanden war, ritt er der Prinzessin entgegen und meldete das Ableben der Gräfin Jagiello. Wie sich zeigte – und was ich als letzte Demütigung empfand, die mir Hanns Altdorfer vergebens auszureden versuchte – war der ganze Hochzeitszug über ihren Tod eher erleichtert als entsetzt: Sie war als Intrigantin und als die Hure, als die sie Richter Girigel geschildert hatte, am Königshof eher gehaßt als geachtet gewesen. Das fehlende Mitleid mochte aber auch daran liegen, daß Moniwid die Umstände ihres Todes nur äußerst verzerrt wiedergab, als brächte er es selbst nicht übers Herz, sowohl die Niedertracht der Rolle, die sie selbst dabei gespielt hatte, als auch die niederträchtige Art und Weise ihres Todes genau zu schildern. Wie auch immer: Wahrscheinlich war die Hochzeit niemals in Gefahr gewesen. Sie hätte wohl sogar stattgefunden, wenn man König Kasimir in Polen seine tote Nichte direkt vor die Füße geworfen hätte. Die Bedrohung für Kaiser Friedrich letztlich war ohnehin niemals vorhanden gewesen.
    Am Dienstag nach dem Tod des Richters kam der Hochzeitszug in Eching an; er wurde auf Geheiß von Herzog Ludwig von sieben der geachtetsten Fürsten des Umlandes mit jeweils hundert Begleitern und etlichen Hundert Landsknechten empfangen und nach Landshut eskortiert. Dort auf der Wiese jenseits der herzoglichen Fischweiher warteten der Kaiser, Herzog Ludwig und sein Sohn und die kirchlichen Würdenträger auf ihn und geleiteten den polnischen König und die Prinzessin mit Trompeten, Pauken und Pfeifen zur Stadt herein. Das junge Paar wurde in Sankt Martin getraut, und wie es heißt, weinte die Prinzessin während der ganzen Zeremonie bitterlich. Das eheliche Beilager fand noch in derselben Nacht im Beisein des Herzogs, des Sohns von Kaiser Friedrich, dem späteren Kaiser Maximilian, und etlichen anderen Herren statt.
    Die ganzen nächsten Tage über hielt der Herzog die Stadt, seine Gäste und alle Bürger frei. Die Adligen lieferten sich Rennen über die Planken in der Stadt, wobei sich die polnischen Ritter als ungestüme Raufbolde zu erkennen gaben und danach dürsteten, die bayrischen Streiter auf den Boden zu schicken. Albert Moniwid traf mit Herzog Christoph dem Starken zusammen, ganz wie er es gewünscht hatte, aber sein Rennen nahm einen unglücklichen Anfang und ein unglückliches Ende. Als beide auf die Bahn gingen,
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