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Der Tschernobyl Virus

Der Tschernobyl Virus

Titel: Der Tschernobyl Virus
Autoren: Thorsten Huehne
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April 1986 – 01.20 Uhr
    Toptunov sah auf seine Kontrollen und erschrak. Dann ging er zu zu Akimov.
    »Das ist nicht gut. Es sind nur 6 Bremsstäbe im Reaktor.« In Toptunovs Stimme schwang Angst mit. Die Bremsstäbe waren für die Kontrolle der Reaktion verantwortlich. Je mehr Bremsstäbe eingefahren wurden, desto langsamer die nukleare Reaktion. Wenn so wenige Bremsstäbe eingefahren waren, war die nukleare Reaktion schwerer zu kontrollieren.
    »Wieso«, Akimov erschrak, »es sollen mehr sein. 30 ist die vorgeschriebene Mindestzahl.«
    »Ich weiß auch nicht, was passiert ist, wir dürfen den Test nicht starten.«
    »Komm mit«, Akimov ging mit Toptunov zum stellvertretenden Reaktorleiter, der nun wieder an der anderen Seite der Bedienungseinheit stand.
    »Genosse Djatlov«, Akimov wusste nicht, wie er anfangen sollte, »es gibt ein Problem…«
    »Es gibt keine Probleme«, unterbrach Djatlov ihn, »wir sind im Zeitplan.«
    »Es sind aber nur 6 Stäbe im Reaktor, wir können die Reaktion dann kaum noch kontrollieren, und es entwickeln sich Gase.« Toptunov beachtete die Hierachie nicht und sprang ein.
    »Wir haben auch mit den sechs Stäben noch genug Kontrolle. Leute, unser Werk ist das modernste der Welt. Also weiter.«
    »Aber Genosse Djatlov, dann schalten sie wenigstens den Havarieschutz wieder an.« Mit dem Havarieschutz würden in einem Notfall automatisch Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.
    »Nein, dann ist der Test sinnlos. Wir müssen einen absoluten Stromausfall simulieren, und den Reaktor bis an die äußerste Grenze fordern.«
    Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend gingen die Beiden wieder an ihre Arbeitsplätze. Das erste Mal seit vielen Jahren betete Akimov leise vor sich hin.
    Alle starrten gebannt auf die Anzeigen. Das Kühlwasser erhitzte sich wie erwartet und begann langsam zu sieden.
     
    26. April 1986 – 01.23 Uhr und 04 Sekunden
    Akimov gab das Zeichen, darauf begannen die Operatoren damit, zu viele Kühlpumpen zuzuschalten, damit konnte der mit sehr geringer Leistung laufende Reaktor Wasser nicht mehr verdampfen. Das Wasser begann aufzukochen, und erste hydraulische Schläge waren zu hören. Akimow und Toptunow wollten den Test abbrechen, doch Djatlov trieb sie weiter an.
    »Noch ein, zwei Minuten, und alles ist vorbei! Etwas beweglicher, Genossen!«
     
    26. April 1986 – 01.23 Uhr und 40 Sekunden
    Akimov gab seiner Schicht den Befehl, den Strom abzuschalten. Jetzt sollte nur die Auslaufenergie der Turbine die Wasserpumpen antreiben. Akimov sah ängstlich auf den Temperaturanzeiger des Kühlwassers. >Bitte dampfe< dachte er sich. Nur bei verdampfenden Kühlwasser konnte der Reaktor ausreichend gekühlt werden. Doch das Wasser erreichte nur noch Siedetemperatur. So wurde der Reaktorkern nicht nur immer heißer, er begann auch, seine Leistung laufend zu erhöhen. Toptunow bemerkte diesen Leistungsanstieg als erster und schlug Alarm »Wir müssen den Reaktor sofort mit dem Havarieschutz abschalten..., die Leistung steigt.« Schichtleiter Akimov zögerte. Konnte er sich über Djatlov hinwegsetzen ? Die Situation spitzte sich zu, die Kettenreaktion wurde immer heftiger, und nach kurzem Bedenken löste Akimov den Havarieschutz manuell aus, um den Reaktor abzustellen – nur 36 Sekunden nach Beginn des Versuches.
    Toptunow drückte den Knopf zur Leistungsreduzierung bei Gefahr und so begannen die 199 Bremsstäbe, die nicht in der aktiven Zone waren, damit, wieder in den Reaktorkern einzufahren. Akimov sah auf seine Kontrollen >Zu langsam< dachte er sich >viel zu langsam<. Die Lageanzeigen der Bremsstäbe flackerten rot auf. Entsetzt blickten die Operatoren auf die Anzeigen. Die Stäbe waren auf halber Strecke steckengeblieben. Als Akimov bemerkte, dass die Stäbe statt der erforderlichen 7 nur 2 bis 2,5 Meter in die aktive Zone eingefahren waren, rannte er zum Operatorenpult und schaltete die Stromversorgung der Magnetaufhängungen der Steuerstäbe ab, um sie unter Nutzung des Eigengewichtes in die aktive Zone fallen zu lassen. Aber es tat sich nichts. Durch die Hitze im Kern waren die Schächte der Bremsstäbe verformt und diese hatten sich jetzt festgefahren.
    »So ein Mist«, brüllte Akimov, und ihm war auch klar, dass die Bremsstäbe so nicht bleiben durften. Schließlich befand sich Graphit am unteren Ende der Stangen. Dieser Graphit bewirkte eine kurzfristige Erhöhung der Leistung. Und genau das durfte jetzt nicht passieren.
    Akimov bewegte entsetzt den Schalter für die Stäbe,
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