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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman
Autoren: Sabine Ebert
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heiraten, wen sein Herz begehrte. Gerade
weil
er der zweitgeborene Sohn war – denn sein Bruder strebte schon seit langem danach, das gesamte Erbe ihres Vaters an sich zu reißen.
    Doch während des Kriegszuges, in den dunkelsten Momenten, die er in der Fremde durchleben musste, hatte er sich geschworen, Clara zu seiner Frau zu machen, falls sie ihn noch wollte, ganz gleich, was es kosten und was der Rest der Welt dazu sagen würde. Im Krieg hatten viele Dinge für ihn eine andere Bedeutung angenommen, in Outremer hatte er die letzte Hoffnung in die Vernunft der Mächtigen verloren. Nach so viel Verrat, Dummheit und Gier wollte er einen Menschen an seiner Seite, dem er vollkommen vertraute und der ihm an Wärme zurückgeben konnte, was er auf den blutigen Feldern des Krieges verloren hatte.
    Clara jedoch mied seinen Blick und schien mit jener längst vergangenen Episode abgeschlossen zu haben.
    Er räusperte sich und ließ sie auch bei den nächsten Worten nicht aus den Augen.
    »Mein Burgkommandant, ein verdienstvoller und ehrenhafter Mann, hat mich vorhin um die Erlaubnis gebeten, um Eure Hand anzuhalten. Und mit dem gleichen Anliegen trat wenig später sein ältester Sohn an mich heran. Wäret Ihr bereit, das Werben eines dieser beiden Männer anzunehmen?«, fragte er und hielt den Atem an.
    Clara schien von dieser Eröffnung wenig überrascht. Hatten sich ihr beide Bewerber etwa schon erklärt?
    »Norbert ist ein tapferer Mann. Jede Frau dürfte sich glücklich schätzen, von ihm auserwählt zu werden. Sein Sohn kommt ganz nach dem Vater. Bitte richtet beiden meinen Dank für die Ehre und Freundlichkeit aus, die sie mir erweisen. Doch ich kann nicht die Gemahlin des einen werden, ohne den anderen zu kränken. Außerdem habe ich ein Gelübde abgelegt …«
    »Ihr wollt ins Kloster?«, fragte Dietrich erschrocken. Diesmal war er trotz seiner höfischen Erziehung unfähig, sein Empfinden zu verbergen. Sollte er sie ganz verlieren, sie nicht einmal mehr sehen dürfen? Jemand wie sie würde im Kloster zugrunde gehen oder zugrunde gerichtet werden!
    »Nein«, antwortete Clara, immer noch mit gesenkten Lidern, während ihre Hände in den Falten des grünen Kleides Halt zu suchen schienen, das so gut zu ihren Augen und ihrem kastanienbraunen Zopf passte. Sie trug heute kein Gebende, sondern nur Schleier und Schapel über dem geflochtenen Haar.
    »Ich habe geschworen – auch meinem toten Gemahl zu Ehren –, nicht noch einmal eine Ehe nur aus Gehorsamkeit und Pflichtgefühl einzugehen. Meine Mutter und mein Stiefvater werden es verstehen und für mein Auskommen als ehrbare Witwe sorgen.«
    Das hoffte sie zumindest, auch wenn sie es kaum zu glauben wagte. Sie war noch nicht einmal zwanzig, und jedermann würde erwarten, dass sie bald wieder heiratete und ihrem neuen Gemahl Söhne gebar. Frauen in ihrer Lage durften nicht unverheiratet bleiben. Und Lukas hatte schon vor zweieinhalb Jahren energisch auf ihrer Vermählung mit Reinhard bestanden. Allerdings musste sie ihm nachträglich recht geben – ohne Reinhards Schutz wäre sie nach Lukas’ Gefangennahme vermutlich geschändet worden und längst tot.
    Aus einem Impuls heraus wollte Dietrich einen Schritt auf sie zugehen und hielt sich gerade noch davon ab. Er hatte die Hand schon ein wenig gehoben, weil alles in ihm danach drängte, ihre Wange zu berühren, ihr Trost zu spenden, ihr erneut seine Liebe zu gestehen. Doch er zwang sich dazu, die Hand wieder sinken zu lassen.
    »Meinem toten Gemahl zu Ehren«, hatte sie gesagt. Sie trauerte um Reinhard, durchlitt vielleicht Alpträume, in denen sie ihn wieder und wieder sterben sah. Bei der gleichzeitigen Werbung von Vater und Sohn – auch wenn es gute Männer waren – musste sie sich belauert fühlen wie leicht zu jagendes Wild. Und das waren junge, hübsche Witwen. Wie sollte er ihr da von Liebe sprechen, davon, dass er sie zu seiner Frau machen wollte? Sie würde ihn nur traurig ansehen, vielleicht sogar verächtlich, weil er etwas vorschlug, das undenkbar war, und weil es ihr so vorkommen müsste, als wolle auch er ihr nachstellen, kaum dass er das Burgtor durchritten hatte.
    Clara bemerkte die unbedachte Bewegung und neigte ihm den Kopf ein wenig entgegen. Beinahe glaubte sie, seine Hand auf ihrer Wange zu spüren, auch wenn sie fünf Schritte voneinander getrennt waren. Wehmütig schloss sie die Augen und stellte sich vor, wie es sein würde, von ihm berührt, in die Arme geschlossen zu werden.
    Ich trauere
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