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Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Der träumende Kameltreiber (German Edition)

Titel: Der träumende Kameltreiber (German Edition)
Autoren: Amor Ben Hamida
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Jamel, dort sitzt er, und bot mir an, im Tourismus mein Glück zu versuchen. Mit diesen beiden Dromedaren könnte ich was verdienen, sagte er.
    Und so stellte ich mich vor den Hotels an, anfangs ganz schüchtern. Ich erinnere mich, dass ich auf die Seite zu schauen pflegte, wenn Touristen in meine Richtung kamen. Ich konnte mich diesen Menschen nicht nähern. Ich war außerhalb der Touristenzonen aufgewachsen. Wir hatten nur immer von diesen Feriengästen gehört, mit denen man kein Arabisch reden konnte. Ich hatte also anfangs sehr große Angst vor ihnen. Aber irgendwann passierte es halt: Eine ganze Familie kam auf mich zu, ich konnte ihnen nicht mehr ausweichen. Sie fragten auf Französisch, wie viel ein Kamelritt kosten würde, und ich murmelte irgendwas vor mich hin. Der Vater zog zwanzig Dinars hervor und streckte sie mir entgegen. Ich weiß heute noch nicht, ob er damals auf Rückgeld wartete oder mich mit seinem Blick fragen wollte, ob das genug sei. Ich ging mit ihnen fast zwei Stunden lang reiten. Sie fragten immer wieder Dinge über die Dromedare, die ich selber noch nicht wusste.

    Ihr wisst ja, dass ich schon immer gut aussah und immer diesen fröhlichen Blick draufhatte, trotz meiner schweren Kindheit und Jugend. Die Touristen kamen immer öfter auf mich zu und ließen die alteingesessenen Kamelführer links liegen. Es musste sich herumgesprochen haben, dass da ein neuer, junger, schöner Araber mit zwei tollen Kamelstuten am Strand wartete. Wenn nämlich Europäer zufrieden sind, dann kommen sie immer wieder! Merkt euch das für eure Arbeit. Bei den Hotelangestellten war ich anfangs der arme, ländliche Kameltreiber, der kaum den Mund aufmachte, wenn er sprach. Bald aber bezeichnete man mich als einen erfolgreichen Unternehmer.
    Ich lebte mit meinen beiden Dromedaren in einer kleinen Hütte, die mir ein Bekannter der Familie vermietete. Sie lag nur wenige Kilometer von der Hotelzone entfernt. Jeden Abend, manchmal sehr spät, wenn die Touristen mich noch unbedingt zu einem Kaffee einladen wollten, kam ich in meine Hütte, wärmte auf einem kleinen Gaskocher mein zuvor gekauftes Abendessen, kochte mir einen Tee, der fast so gut schmeckte wie der heute Abend, und dann fütterte ich meine Tiere und ging ins Bett. Ich arbeitete von Montag bis Sonntag, von früh bis spät. Ich wusste oft nicht mehr, welcher Tag war, denn die Touristen kamen täglich zum Strand und suchten einen Anbieter für einen Kamelritt.

    Der Neid, meine Freunde, der Neid der anderen Araber traf mich dann wie ein Sandsturm. Sie fingen an, Gerüchte in die Welt zu setzen: Ich wäre viel zu teuer, ich zeigte den Leuten nicht die schönen Routen, ich raste viel zu schnell durch die Gegend und – das war das Schlimmste – ich hätte schon Touristinnen belästigt. Aber eins kann ich euch sagen, prägt euch das für eure Arbeit ein: Ein ehrlicher Mann, der stets an sich und seinen guten Willen, seine sauberen Absichten denkt, der wird auch durch die größten Neider und Verleumder nicht verlieren. Im Gegenteil: Ich bekam öfter Kleider von Touristen, die wieder nach Sousse kamen, ich wurde beschenkt mit Süßigkeiten und Gegenständen für meinen kleinen Haushalt. Einmal fragte mich eine ältere Dame, was ich denn am liebsten aus Deutschland hätte, und sie lachte herzlich, als ich sagte: ‚Einen Büchsenöffner, Madame.’ Seht ihr, ich war schon immer bescheiden und bekam sechs Monate später einen Büchsenöffner, Made in Germany, mit dem kannst du ein Ölfass öffnen. Ich lebte ja hauptsächlich von Konserven, darum hat mir dieses Ding gute Dienste geleistet. Es liegt immer in meiner Kochnische, heute noch, hinter mir im Zelt.
    Zweimal im Monat machte ich einen Sonntag frei. Ich ritt zu meiner Familie zurück, vier Stunden lang, und brachte einen großen Einkauf und Geld mit.

    Das waren schlimme Zeiten. Schon bei meiner Ankunft musste ich die vielen lustigen Erlebnisse mit den Touristen beiseite lassen und mich einer düsteren, bedrückten Stimmung hingeben. Meine Mutter und meine Schwestern warteten regelrecht auf das Essen und das Geld, das ich brachte. Ich fürchtete mich immer vor jener Zeit, die bestimmt noch kommen würde, da die Touristen rar und die Einkünfte gering sein würden. Wie vermisste ich dann meinen Vater! Er war nur ein Tagelöhner gewesen, aber was er auch immer heimbrachte, es hatte sich vor unseren Augen mit seinem Lachen und seiner Zuversicht, seinem Gottvertrauen und seiner Hoffnung vermehrt. Wir hatten
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