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Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)

Titel: Der Tote unter der Piazza - Ein Neapel-Krimi (German Edition)
Autoren: Barbara Krohn
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sprechen: im Rrrrrachen. Um das Thema zu wechseln, fragte sie den Taxifahrer, ob er immer nachts mit dem Taxi unterwegs sei.
    »Nicht immer.« Jetzt war er es, der einsilbig antwortete.
    »Machen Sie das schon lange?«
    Als Antwort wiegte er bloß den Kopf.
    »Und Sie?«
    »Wie, ich?«
    »Was machen Sie?«
    »Ich bin Journalistin.«
    »Und schreiben über Neapel?« Wieder der leicht spöttische Tonfall. »Über das schöne oder über das häßliche Neapel? Camorra, Drogen, Gewalt, Verkehrschaos und die malerischen Wäscheleinen hoch oben unter einem azurblauen Himmel? Verwitterte Häuser, heruntergekommene Kirchen, Blumen unter dem Heiligenaltar an der Straßenecke?«
    »Genau«, sagte Marlen in einem Anflug von Trotz. »Und über den Regen, leere Straßen und freche Taxifahrer, die bei Rot halten.«
    Er lachte auf. »Schon mal von dem Schriftsteller Malaparte gehört? La pelle? «
    Sie nickte.
    »Eine Art Vorbild«, sagte er. »Nicht einzuordnen. Geht unter die Haut. Sarkastisch, humorvoll, geistreich, im richtigen Moment böse, dann wieder weich wie Büffelmozzarella. Wußten Sie, daß er seine rote Villa auf Capri den roten Chinesen vermacht hat? Ein Liebhaber Neapels, ein Liebhaber der Kunst. – Und der Frauen«, ergänzte er nach einer Pause.
    Sie fuhren am Castel Nuovo vorbei in Richtung San Carlo. Der Taxifahrer wies mit der Hand nach rechts und streifte dabei wie zufällig ihren Arm. »Hier in der Via Santa Brigida spielt auch eine Szene aus dem Buch, ganz am Anfang, wo er den Amerikaner trifft.«
    »Oktober 1943«, sagte Marlen. »Die Stadt hatte sich selbst von den Deutschen befreit, ohne jede Hilfe der Alliierten.«
    Der Taxifahrer pfiff anerkennend durch die Zähne. »Sie haben ja echt was drauf.«
    »Ich schreibe über die quattro giornate di Napoli .«
    »Und so was lesen Ihre Landsleute?«
    »Manche schon.«
    »Ich würde es lesen«, sagte er im Ton vollster Überzeugung. »Das heißt, wenn ich Deutsch könnte.«
    »Schöne Versprechung«, lachte Marlen.
    Sie fuhren in die Quartieri Spagnoli hinein. Der Taxifahrer fragte sie noch einmal nach der Adresse. Marlen kramte erneut den Zettel aus ihrer Jackentasche. Livia war vor ein paar Monaten umgezogen und wohnte jetzt im Vicoletto Conte Cedronio. Der Taxifahrer hatte keine Ahnung, wo das war, und Marlen noch weniger. Nur ein paar Ecken von der alten Wohnung entfernt, hatte Livia kurz nach dem Umzug geschrieben. Der Taxifahrer trommelte wieder mit den Fingern auf das Lenkrad, fuhr langsam, konzentriert, und hielt Ausschau nach jemandem, den er fragen konnte. Bei dem Wetter hatten sich sogar die Katzen verkrochen, die sonst in den Müllsäcken wühlten. Das Taxi fuhr dicht zwischen den zu beiden Seiten der Gasse abgestellten Autos den Hang hinauf. An der Ecke mußte mehrfach rangiert werden, dann ging es im ersten Gang weiter. Ein Licht war zu sehen, eine Straßenpizzeria, ein Mann wischte gerade den Tresen ab. Der Taxifahrer kurbelte das Fenster herunter, fragte nach dem Weg. Als Antwort fuchtelte der Pizzabäcker mit der Hand und gab konfuse Wegbeschreibungen von sich, auch er kannte sich offenbar nicht aus, kannte jedenfalls nicht die Namen der Gassen in seinem Viertel, wozu auch, er wohnte ja mittendrin. Seine Frau trat neben ihn, schüttelte den Kopf, gab die Frage schreiend in die Küche weiter, von dort wurde vage eine Richtung angegeben, an der Ecke rechts, dann links, dann eine der Querstraßen, so ungefähr. Marlen schlug vor zu telefonieren. Aber das Telefon funktionierte nicht. » Mi dispiace, Signorina, è guasto .«
    Der Taxifahrer schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad, »Das wäre doch gelacht.« Der Ehrgeiz hatte ihn gepackt, er wendete, bog mal nach rechts ab, dann nach links, schrappte an der Stoßstange eines abgestellten Vehikels entlang, fuhr über einen bereits zerplatzten Müllbeutel und nahm dann hupend eine Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung.
    »Alle Achtung«, sagte Marlen.
    »Im richtigen Moment muß man sich über Regeln hinwegsetzen können«, erläuterte er seelenruhig. Sie mußte ihm recht geben, war ihm geradezu dankbar dafür, denn nun hielt er an, beugte sich vor, zeigte triumphierend auf das Straßenschild an der Hauswand: Vicoletto Conte Cedronio. Marlen und der Taxifahrer sahen einander zufrieden an und lächelten.
    »Angekommen.«
    »Ja.«
    »Vielleicht haben Sie einmal Lust, sich die Villa Malaparte auf Capri anzusehen.«
    »Auf jeden Fall.«
    »In meiner Begleitung, meine ich.«
    »Durchaus möglich.«
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