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Der Tote am Lido

Der Tote am Lido

Titel: Der Tote am Lido
Autoren: Christian Foersch
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dachte an Silvia. Er war verliebt in Silvia, aber das immunisierte ihn nicht.
    »Kannst du dich bitte setzen und mir alles der Reihe nach erklären?«
    Es fiel Amanda sichtlich schwer, ihre Unruhe zu zügeln. Sie rutschte auf dem Stuhl hin und her und erzählte: »Joy kommt aus Nigeria, sie ist erst neunzehn.«
    Lunau wartete einen Moment, ehe er selbst den Rest zusammenfasste: »Sie geht anschaffen, und Michael ist ihr Zuhälter?«
    Amanda nickte. »Er ist ebenfalls Nigerianer. Ein Schläger, angeblich dealt er. Er kommt aus einem Vorortvon Benin City, wie Joy. Fast alle Mädchen hier kommen aus diesem Vorort.«
    »Und dort hat sich noch nicht herumgesprochen, was sie hier erwartet?«, fragte Lunau.
    Amanda winkte ab.
    »Woher weißt du das alles? Was hast du überhaupt mit dieser Szene zu schaffen?«
    Das Mädchen reichte Lunau eine Broschüre. »Ex« stand darauf.
    »Ist das der Verein von Gennaro Tarantella, dem Freund deines Vaters?«
    Amanda nickte. » Ex kämpft gegen soziale Not und gegen jede Form der Organisierten Kriminalität. Wir kümmern uns auch um die Opfer, versuchen, die Mädchen von der Straße zu holen.«
    »Wir?«
    »Ich arbeite ehrenamtlich für sie.«
    »Seit wann?«
    »Was spielt das für eine Rolle?«
8
    »Also?«, fragte Michele Balboni und sah Lunau fordernd an. Er hatte sich am Telefon zuerst verleugnen lassen, dann in barschem Ton von »Wichtigerem« geredet und sich schließlich doch zu einem Treffen in seinem Büro bereiterklärt. Lunau war von dem Umtrunk bei den Schiavons direkt zum Kommissariat gefahren.
    »Ich habe seit einer halben Stunde Feierabend.«
    »Ich habe wahrscheinlich die Identität des Toten herausgefunden«, setzte Lunau an.
    »Ach ja?«
    Lunau überlegte. Er wusste nichts Genaues, und was er wusste, stammte von einer Zeugin, die anonym bleiben wollte. »Meseret heißt der Tote. Senegalese. Er soll am Strand als fliegender Händler gearbeitet haben.«
    »Haben Sie ein Bild? Kennen Sie seinen Nachnamen?«
    »Sayé oder Zahie, aber ein Foto besitze ich nicht.«
    »Woher haben Sie Ihre Informationen?«
    Lunau schüttelte den Kopf und zeigte eine Miene des Bedauerns.
    »Meldeadresse? Alter? Geburtsort? Hatte er eine reguläre Aufenthaltsgenehmigung?«
    »Ich glaube schon.«
    »Sie glauben?«
    »Hören Sie, warum überprüfen Sie nicht einfach meine Angaben? Haben Sie eine andere Identität ermittelt?«
    »Nein. Aber wir denken, dass der Mann auf dem Bau gearbeitet hat. Wahrscheinlich schwarz, illegal. Womöglich kam es zu einem Unfall, und man musste die Leiche entsorgen.«
    »Wieso Bauarbeiter?«
    Balboni ignorierte die Frage, und Lunau setzte neu an: »Also hatte er die Verletzungen im Gesicht von einem Sturz oder von einer Maschine, in die er geraten ist? War er schon tot, als man ihn ins Wasser geworfen hat?«
    Balboni erwiderte:«Ich habe Ihnen sowieso schon zuviel gesagt.«
    »Also: nein? Man hat ihn bei lebendigem Leib ins Wasser geschmissen? Weil man Angst vor einem Bußgeld für Schwarzarbeit hatte?«
    »Alles nur Vermutungen.«
    »Wie kommen Sie dann darauf, dass er auf einer Baustelle beschäftigt war?«
    Balboni schüttelte den Kopf. »Sie kennen unsere Vorschriften. Selbst wenn ich wollte – ich kann nicht.«
    »Beim letzten Mal haben wir hervorragend harmoniert.«
    »Finden Sie?«
    Lunau nickte.
    »Das war eine besondere Konstellation, die sich nicht vermeiden ließ. Geben Sie mir den Namen Ihres Informanten, fahren Sie zurück ans Meer, und lassen Sie mich meine Arbeit tun.«
    Lunau schaute Balboni direkt in die Augen. »Sagen Sie mir, was im Obduktionsbericht steht.«
    Balboni warf einen Blick auf die Uhr und tat, als wollte er die Unterredung beenden. Ein taktisches Spielchen. Bei ihrem ersten »gemeinsamen« Fall hatte er Lunau sogar in Handschellen in die Questura führen und eine Stunde in einem Verhörraum schmoren lassen, um sich am Ende doch kooperativ zu zeigen. Lunau beschloss, ebenfalls zu taktieren. Er erhob sich und sagte: »Tut mir leid. Mir sind nur Gerüchte zu Ohren gekommen. Aber ich werde mich an Ihren Rat halten und von jetzt an meine Ohren verschließen.«
    Balboni ließ die Augenlider sinken, atmete zweimal tief ein. Lunau meinte, gleich würde er einknicken, nachdem er ein letztes Mal auf die Vorschriften verwiesen hatte. Er dachte daran, wie Balboni ihn bei dem verwahrlosten Schäfer aus der Baracke geholt, wie er ihn vor der Flinte Zappaterras gerettet hatte. Lunau hatte Andrea Zappaterra, Vitos Mörder, eine Falle gestellt, gegen
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