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Der tolle Nick

Der tolle Nick

Titel: Der tolle Nick
Autoren: Georgette Heyer
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betrachten. Und wie um seine Behauptungen zu unterstreichen, wies er mit seinem Stöckchen auf Sir Nicholas. »Hört mich weiter an, Sir! Es ist dies ein böses Vorzeichen! Ein Todesfall bedeutet Unglück. Ich spreche jetzt nicht von den zufälligen Todesfällen, wie sie sich im Gefecht ereignen. Das ist ja klar. Aber so ein langsames Sterben ist eine ganz andere Sache. Wir müssen den würdigen Herrn so rasch wie möglich an Land bringen.«
    »Was? Was soll das, du Schurke?« wollte Beauvallet wissen, der sich in seinen Stuhl zurückgelehnt hatte. »Ihn an Land bringen – wo und weshalb?«
    »Ich glaube, daß die Kanarischen Inseln ein günstiger Platz wären, Sir. Der Grund dafür ist klar: Er muß an Land sterben – oder zumindest auf einem anderen Schiff als auf dem unseren. Dann geht uns die Sache nichts mehr an.« Er bückte sich rasch, um dem Stiefel zu entgehen, der mit voller Wucht gegen seinen Kopf geschleudert wurde.
    »Schurke!« fuhr Beauvallet auf. »Hör sofort mit diesem dummen Geschwätz auf! Wir werden den Herrn in Spanien an Land setzen. Merk dir das!«
    Joshua hob den Stiefel auf und kniete nieder, um Sir Nicholas beim Anziehen zu helfen; er war nicht im geringsten eingeschüchtert. »Erlaubt mir, Euch zu versichern, daß wir damit wieder einmal den Kopf in die Schlinge legen!«
    »Sei sicher, daß du einmal so enden wirst«, erwiderte Sir Nicholas fröhlich.
    »Was das anlangt, Sir, so bin ja nicht ich es, der in der ganzen Welt herumrast und raubt und plündert«, antwortete Joshua gleichmütig. »Stoßt noch ein bißchen nach, Sir, und der Stiefel sitzt. So!« Er strich eine Falte in dem weichen Leder aus Cordoba glatt und hielt den zweiten Stiefel bereit. »Ihr müßt wissen, Herr, daß mich das nicht trifft, denn mein Horoskop hat klar und deutlich ausgesagt, daß ich friedlich im Bett sterben werde. Es wäre gut, Herr, wenn Ihr Euer Horoskop erstellen ließet, damit wir wissen, wovor wir uns hüten müssen.«
    »Behalt deine guten Ratschläge für dich, Narr, und verschwinde!« empfahl ihm Beauvallet. »Du führst mich zu sehr in Versuchung.« Er machte eine kurze, vielsagende Bewegung mit seinem abgewinkelten Bein.
    »Das mag sein, wie es will, Herr«, bemerkte Joshua philosophisch. »Die Entscheidung steht ganz bei Euch. Ich verweigere Euch dieses Recht ja gar nicht. Aber ich werde mir doch herausnehmen, Euch zu sagen, daß dieses Herumtreiben auf dem Meer mit einem Weibsstück an Bord – nein, sogar mit zwei Weibern –«
    »Was?« schrie Beauvallet.
    Joshua riß seine listigen grauen Augen weit auf. »Oh, verzeiht, ich wollte sagen, mit einer Dame. Aber letzten Endes ist es ja doch das gleiche oder vielleicht sogar schlimmer, wenn der Wind daher weht, woher ich vermute. Aber ich schweige ja. Nur ist es gegen allen Anstand und die Sitte, und es wird sicher nichts als Unglück daraus entstehen.«
    Beauvallet strich sich nachdenklich den Bart, worauf Joshua sofort den Rückzug antrat. »Ein Unglück, das bald in Gestalt meiner Fußsohle über dich hereinbrechen wird!« sagte Sir Nicholas und stand langsam auf.
    »Wenn Ihr so schlecht gelaunt seid, dann ziehe ich mich schleunigst zurück«, erklärte Joshua hastig und verschwand behende.
    Beauvallet folgte ihm bald, um die Ladung der Santa Maria zu überprüfen, die gerade unter Deck gebracht wurde.
    So geschah es, daß Doña Dominica, die etwas Luft schöpfen wollte und aus ihrer Kabine trat, eine Szene vor sich sah, die ihr ein verächtliches Lächeln abrang. Sie ging auf das Achterdeck hinauf und blickte in den Laderaum hinein, wo Stoffballen lagen und Metallbarren auf einer primitiven Waage gewogen wurden. Master Dangerfield hatte ein Blatt Papier und ein Tintenfaß auf ein umgedrehtes Faß gelegt und vermerkte alle Güter sorgfältig, während ein dicker, behaarter Bursche Gewichte und Zahlen rief.
    Neben ihm saß Beauvallet auf einem anderen Faß, die Arme in die Hüften gestützt, und schlenkerte mit den Beinen. Er hatte sich ganz auf das Geschehen um ihn herum konzentriert; die Dame auf dem Deck über ihm bemerkte er nicht.
    Man darf nicht vergessen, daß diese Art der Piraterie ein staatlich genehmigtes Unternehmen war, eine Art Untergrundkampf gegen König Philipp II. von Spanien, der sicher Anlaß zu einem derartigen Vorgehen gegeben hatte. Die Engländer haßten die Spanier aus den verschiedensten Gründen. Vor Jahren hatte es da die Geschichte mit Sir John Hawkins in San Juan de Ulloa gegeben, ein Verrat, den man nicht so
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