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Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)

Titel: Der Tod wartet im Netz (Die besten Einsendungen zum Agatha-Christie-Krimipreis 2011)
Autoren: Cordelia Borchardt und Andreas Hoh
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hatte vergessen, dass ihr Vater ein paar Meter weiter mit durchschnittener Kehle lag.
    »Papa hat sich große Hoffnung gemacht, dass er den Job bekommt. Sein Bruder, Onkel Wilfried, ist dort nämlich Inspizient. Er sucht auch die Komparsen aus.«
    »Warum hat dein Onkel deinem Vater nicht gleich den Job verschafft?« Gerd spürte, wie sein kriminalistischer Instinkt in ihm erwachte.
    »Ach, die beiden haben sich früher nicht so gut verstanden«, antwortete das Mädchen beiläufig. »Onkel Wilfried hat mir das erzählt. Er ist mein Patenonkel und geht manchmal mit mir ins Kino. Ich habe ihm erzählt, dass Papa öfter in der Tagesjobbörse Jobs sucht. Bestimmt hat er den Job extra da eingestellt, damit Papa zu ihm kommt. Es ging bei dem Streit, glaube ich, um das Haus, in dem mein Opa wohnt. Opa Anton ist ziemlich reich, wissen Sie. Wenn er stirbt, sind wir auch reich, dann kaufe ich dir ein Pferd, sagt Papa immer.«
    In dem Moment fiel der Blick des Mädchens auf die Polizisten, die zwischen dem Eiscafé und dem Spielplatz ein weißrotes Band anbrachten. Sie brach zusammen und konnte sich nicht mehr beruhigen. Gerd war froh, dass eine Polizistin auf sie zukam.
    »Das ist die Tochter des Toten«, erklärte er und achtete nicht auf den abfälligen Blick der Frau. Er kannte sie nicht, sie war zu jung, um ihn zu kennen. »Sie brauchen wir noch!«, sagte sie in barschem Ton zu ihm, als hätte sie ihr Urteil über Gerd als Täter schon gefällt.
    »Ich weiß«, antwortete Gerd mit ruhiger Stimme, während in seinem Kopf bereits die Gedankenrädchen ratterten. Er musste unbedingt wissen, ob der Vater des Toten noch lebte und was aus dem Job im Theater geworden war.
    Schwerfällig stand er auf. »Halt!«, rief die Polizistin, die sich neben das Mädchen gesetzt hatte.
    »Keine Sorge, ich weiß, was ich tue!«, brummte Gerd und ging mit schweren Schritten auf das Absperrband zu. Er erkannte einen der Polizisten und musste sich überwinden, ihn anzusprechen.
    »Hey, Andy!«, rief er und der Polizist sah ihn überrascht an. »Mensch, Gerd!«, antwortete er und das »Mensch« konnte für Überraschung und Erschrecken, Ärger und Freude stehen.
    »Ich habe euch angerufen«, erklärte Gerd und zeigte mit der Hand auf die Bank, an der sich inzwischen ein Mann mit einem Arztkoffer zu schaffen machte. »Kann ich noch rüber ins Schwimmbad zum Duschen?«, fragte er. Das Schwimmbad befand sich in der Nähe des Theaters. Außerdem würde er dort womöglich Straßenbrüder treffen, die auch bei dem Casting waren.
    Gerds ehemaliger Kollege sah sich um. Dann nickte er. »Ok, komm nachher einfach rüber!« Gerd wusste, was er meinte: Er sollte ins Präsidium kommen. Bei der Vorstellung wurde ihm schlecht, doch das gab ihm Zeit und die war jetzt wichtiger. Also nickte er und wandte sich um.
    »Das ist übrigens mein Schlafsack unter dem Pavillon«, rief er über die Schulter. »Passt gut darauf auf.«
    Sein ehemaliger Kollege konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Dann wurde er ernst und sah Gerd bedrückt nach.
    Mit wenigen Schritten hatte Gerd das Theater erreicht. Ihm war eingefallen, dass die Komparsen möglicherweise morgens zu einer Probe kommen mussten. Und da standen auch schon drei bärtige Männer, die er flüchtig kannte.
    »Morgen«, brummten sie und Gerd konnte an ihrem Atem erkennen, dass sie bereits ein flüssiges Frühstück eingenommen hatte.
    »Moin«, gab er zurück. »Ich dachte, ich finde Rolf hier«, brummte er, als wüsste er nicht, dass Rolf Bayer nicht kommen konnte, weil er im Leichenwagen durch die Stadt gefahren wurde.
    Die Bärtigen lachten. »Der kommt sicher nicht! Das hat gestern Zoff gegeben. Vom Feinsten. Der Typ vom Theater ist ausgeflippt, als er Rolf gesehen hat. Du bist für mich und die Welt tot!, hat der geschrien. Ich dachte, das gehört schon zu dem Stück in dem wir mitspielen sollen.«
    Gerd nickte. Rolfs Hoffnung auf einen Job hatten sich also nicht nur nicht erfüllt, sein Bruder hatte ihn auch noch weggejagt. Aber warum hatte er sich so aufgeführt?
    »Hat einer von den beiden noch etwas gesagt?«, hakte Gerd nach und sah seine Straßenmitbewohner eindringlich an.
    »Wieso willst du das wissen?«, fragte einer der Bärtigen misstrauisch.
    »Jemand hat ihm heute Morgen die Kehle durchgeschnitten«, fuhr Gerd ihn an. Er merkte, dass er zu brutal war, aber er hatte weder Zeit noch Lust auf das Getue.
    Die drei Männer sahen ihn betroffen an. »Du meinst, er ist hin, also tot«, brachte einer
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