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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil
Autoren: Agatha Christie
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hättest doch –»
    «Die Wohltaten der Königin annehmen sollen? Na ja, ehrlich gesagt, Liebling, deshalb bin ich hier. Nein, nicht um dich anzupumpen. So weit ist es noch nicht! Aber ich möchte dich um einen großen Gefallen bitten!»
    «Na los.»
    «Wenn du deinen Windlesham heiraten willst, verstehst du mich vielleicht.»
    Linnet stutzte einen Augenblick lang, dann hellte sich ihr Gesicht auf. «Jackie, heißt das –?»
    «Ja, Liebling, ich bin verlobt!»
    «Ach, das ist es! Ich dachte gleich, du siehst irgendwie besonders lebenslustig aus. Das tust du natürlich immer, aber heute noch mehr.»
    «Genauso fühle ich mich auch.»
    «Erzähl mir alles über ihn.»
    «Er heißt Simon Doyle. Er ist groß und stattlich und unglaublich arglos und jungenhaft und einfach zum Anbeten! Arm ist er auch – Geld hat er nicht. Ist zwar echter ‹Landadel›, wie man so sagt – aber verarmter Adel. Er ist auch nicht der älteste Sohn und so weiter. Seine Familie stammt aus Devonshire. Er liebt das Landleben und alles, was dazugehört. Und die letzten fünf Jahre hat er in London in einem muffigen Büro gehockt, aber die entlassen jetzt Leute und er ist die Stelle los. Linnet, ich sterbe, wenn ich ihn nicht heiraten darf! Ich sterbe! Ich sterbe! Ich sterbe…»
    «Sei nicht albern, Jackie.»
    «Ich sterbe, ich schwörs dir! Ich bin verrückt nach ihm. Wir können ohne einander nicht leben.»
    «Liebling, dich hats wirklich erwischt!»
    «Ich weiß. Schrecklich, nicht? Wenn die Liebe einen mal erwischt, kann man nichts mehr machen.» Sie hielt einen Augenblick inne. Ihre dunklen Augen wurden noch größer und bekamen einen tragischen Blick. Sie schauderte leicht. «Das macht einem sogar manchmal Angst! Simon und ich sind füreinander geschaffen. Ich werde so etwas nie wieder für jemanden fühlen. Und du musst uns helfen, Linnet. Ich habe erfahren, dass du das Anwesen hier gekauft hast, und mir ist eine Idee gekommen. Hör mal, du brauchst einen Verwalter – vielleicht sogar zwei. Ich möchte, dass du eine Stelle Simon gibst.»
    «Oh!» Linnet war verblüfft.
    Jacqueline ließ nicht locker. «Er kann das alles mit links. Er weiß alles über Landgüter – er ist ja auf einem aufgewachsen. Und das Kaufmännische hat er auch gelernt. Oh, Linnet, du gibst ihm doch die Stelle, ja? Aus Liebe zu mir. Wenn er sich nicht bewährt, schmeiß ihn wieder raus. Aber er wird sich bewähren. Und wir können in ein kleines Haus ziehen und ich kann dich ganz oft sehen und der Garten wird ein einziger Traum sein.»
    Sie stand auf. «Sag ja, Linnet. Sag ja. Wunderschöne Linnet! Großartige, goldene Linnet! Meine einzige, ganz besondere Linnet! Sag ja!»
    «Jackie – »
    «Sagst du ja?»
    Linnet fing an zu lachen. «Alberne Jackie! Bring ihn her, deinen Mann, ich sehe ihn mir an und dann reden wir darüber.»
    Jackie fiel über sie her und deckte sie mit Küssen zu. «Linnet, Liebling – du bist eine wahre Freundin! Ich wusste es. Du würdest mich nicht im Stich lassen – niemals. Du bist das Liebenswerteste auf der Welt. Adieu.»
    «Aber, Jackie, du bleibst doch.»
    «Ich? Nein. Ich fahre sofort zurück nach London und morgen komme ich mit Simon wieder und wir bringen alles unter Dach und Fach. Du wirst ihn anbeten. Er ist ein richtiger Schmusekater.»
    «Kannst du denn nicht noch zum Tee bleiben?»
    «Nein, kann ich nicht, Linnet. Ich bin viel zu aufgekratzt. Ich muss zu Simon und ihm alles erzählen. Ich weiß, ich bin verrückt, aber ich kann nicht anders. Die Ehe wird mich hoffentlich kurieren. Soll einen ja sehr ernüchtern.»
    An der Tür machte sie plötzlich kehrt, blieb einen Augenblick stehen und flatterte dann noch einmal zurück zu Linnet und umarmte sie. «Liebe Linnet, so jemanden wie dich gibt’s nicht noch einmal.»
     
     

VI
     
    Monsieur Gaston Blondin, der Wirt des mondänen kleinen Chez Ma Tante, war keiner von den Restaurantbesitzern, die jedem Gast entzückt die Honneurs machen. Selbst die Reichen und Schönen, die Prominenz und der Adel warteten gelegentlich vergebens darauf, von ihm erkannt und mit besonderer Aufmerksamkeit geehrt zu werden. Er ließ sich nur in den seltensten Fällen gnädig herab, einen Gast persönlich zu begrüßen, an einen der besseren Tische zu geleiten und ein paar wohlgesetzte Worte mit ihm zu wechseln.
    An diesem Abend hatte er seine königliche Gunst allerdings schon drei Leuten erwiesen – einer Herzogin, einem berühmten adligen Rennstallbesitzer sowie einem kleinen Mann mit einem
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