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Der Tod auf dem Nil

Der Tod auf dem Nil

Titel: Der Tod auf dem Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Taschenmesser gezückt und zugestochen. Es gab einen Heidenkrach deshalb.»
    «Das kann ich mir vorstellen. Klingt höchst unerfreulich!»
    Linnets Dienstmädchen kam herein, murmelte eine knappe Entschuldigung, nahm ein Kleid aus dem Schrank und ging damit wieder hinaus.
    «Was ist denn mit Marie los?», fragte Joanna. «Sie hat ja geweint.»
    «Das arme Ding! Ich hatte dir doch erzählt, dass sie einen Mann heiraten wollte, der in Ägypten arbeitet. Sie wusste aber nicht viel über ihn, deshalb fand ich, ich sollte mal nachforschen, ob er in Ordnung ist. Und dann stellte sich heraus, er hat schon eine Frau – und drei Kinder.»
    «Du machst dir ja eine Menge Feinde, Linnet.»
    «Feinde?» Linnet sah sie verblüfft an.
    Joanna nickte und nahm eine Zigarette. «Feinde, Liebes. Du bist so entsetzlich tüchtig. Und du machst so schrecklich zuverlässig immer alles richtig.»
    Linnet lachte. «Aber wo – ich habe keinen einzigen Feind auf der Welt.»
     
     
    IV
     
    Lord Windlesham saß unter der Zeder und betrachtete lange den eleganten Umriss von Wode Hall. Nichts störte diese Schönheit der Alten Welt; die neuen Anbauten lagen alle dahinter und waren außer Sicht. So in die Herbstsonne getaucht, bot Wode Hall einen heiteren, friedlichen Anblick. Aber bald war, was er da betrachtete, nicht mehr Wode Hall. Stattdessen sah er ein viel imposanteres elisabethanisches Herrenhaus, einen ausgedehnten Park, eine kargere Landschaft… Es war der Sitz seiner eigenen Familie, Charltonbury, und eine Gestalt stand jetzt davor – ein Mädchen mit leuchtend goldenen Haaren und einem unduldsamen, selbstsicheren Gesicht… Linnet als Herrin von Charltonbury!
    Er war sehr zuversichtlich. Der Korb, den sie ihm gegeben hatte, war keineswegs eine endgültige Absage. Er war bloß eine Bitte um etwas mehr Zeit. Und er konnte es sich leisten zu warten…
    Wie erstaunlich gut sich alles fügte! Gewiss, es war ratsam, dass er reich heiratete, aber doch auch nicht so dringlich, dass er dafür seine Gefühle beiseite zu schieben gezwungen wäre. Er liebte Linnet. Er hätte sie auch heiraten wollen, wenn sie keinen Pfennig gehabt hätte, wenn sie nicht eins der reichsten Mädchen in ganz England gewesen wäre. Nun, glücklicherweise war sie eins der reichsten Mädchen in ganz England…
    In Gedanken spielte er verlockende Zukunftspläne durch. Er würde die Roxdale-Fuchsjagd ausrichten und den Westflügel restaurieren können, er musste die Ländereien in Schottland nicht mehr an Moorhuhnjäger verpachten…
    Charles Windlesham saß träumend in der Sonne.
     
     
    V
     
    Es war vier Uhr, als der klapprige kleine Zweisitzer knirschend auf dem Kies zum Stehen kam. Ein Mädchen stieg aus – ein schmächtiges kleines Geschöpf mit einem dunklen Wuschelkopf. Sie sprang die Stufen hinauf und riss an der Klingel.
    Ein paar Minuten später wurde sie in den pompösen, lang gestreckten Salon geführt, und ein hochwürdiger Butler verkündete mit der gebührenden Feierlichkeit: «Miss de Bellefort.»
    «Linnet!»
    «Jackie!»
    Windlesham stand etwas beiseite und sah wohlwollend zu, wie das kleine Temperamentbündel sich Linnet mit offenen Armen entgegenwarf.
    «Lord Windlesham – Miss de Bellefort, meine beste Freundin.»
    Ein hübsches Kind, dachte er, obwohl eigentlich nicht hübsch, aber ausgesprochen anziehend mit ihren dunklen Locken und ihren großen Augen. Er murmelte ein paar Floskeln und ließ die beiden Freundinnen taktvoll allein.
    Jacqueline bestürmte Linnet, in ihrer typischen Weise, an die Linnet sich erinnerte. «Windlesham? Windlesham? Das ist der Mann, von dem die Zeitungen ständig schreiben, du willst ihn heiraten? Willst du, Linnet? Willst du?»
    Linnet murmelte: «Vielleicht.»
    «Liebling – ich freue mich ja so! Er sieht nett aus.»
    «Oh, keine voreiligen Schlüsse – ich habe ja selbst noch keinen gefasst.»
    «Natürlich nicht! Eine Königin schreitet mit Bedacht zur Wahl ihres Gefährten, wie es ihr zusteht!»
    «Sei nicht albern, Jackie.»
    «Du bist doch eine Königin, Linnet! Das warst du immer. Sa majesté, la reine Linette, Linette la blonde! Und ich – ich bin die Vertraute der Königin! Ihre getreue Hofdame.»
    «Was für einen Unsinn du redest, Jackie! Wo warst du überhaupt die ganze Zeit? Du verschwindest einfach. Und schreiben tust du auch nie.»
    «Ich hasse Briefeschreiben. Wo ich war? Ach, zu drei Vierteln ertrunken, Liebling. In ARBEIT nämlich. Grässliche Stellen mit grässlichen Frauen.»
    «Aber du

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