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Der Teufelsfürst

Der Teufelsfürst

Titel: Der Teufelsfürst
Autoren: Silvia Stolzenburg
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er nicht mehr als ein lästiges Insekt, bevor er sich wieder Vlad zuwandte und diesen kalt musterte. »Mag sein, dass mein Vater wieder Sultan ist«, sagte er gepresst. »Aber das wird nicht ewig dauern. Früher oder später werde ich das Osmanische Reich sein. Und dann bist du immer noch nichts weiter als eine unbedeutende Geisel aus einem unbedeutenden kleinen Fürstentum!« Er bedeutete der Wache, Vlad abzuführen. »Und wenn du nicht bald lernst, wo dein Platz ist«, schickte er dem Gefangenen hinterher, »dann wirst du schon bald eine tote Geisel sein.«
    Mit diesen Worten bückte er sich, zog den weinenden Radu in die Höhe und stieß ihn – flankiert von zwei weiteren Janitscharen – vor sich her. Als der Knabe seinem Bruder einen letzten flehenden Blick zuwarf, zog sich Vlads Herz zusammen und er wollte sich aufbäumen, um seinen Bewachern zu entfliehen. Diese rammten ihm allerdings beim ersten Zucken die Fäuste in den Bauch, sodass er würgend zusammensackte und sich über seine Stiefel erbrach. Der Schmerz verschleierte ihm die Sicht. Während seine Bewacher ihn auf eine Mauer zuzerrten, nahm er wie durch dichten Nebel wahr, dass Mehmet Radu besitzergreifend am Arm fasste. Die Erkenntnis, dass er seinen Schwur, sein Versprechen, den Jüngeren zu beschützen, gebrochen hatte, traf ihn mit der Wucht eines Keulenschlages. Er stieß einen Laut aus, den die beiden Soldaten fälschlicherweise für ein Zeichen der Furcht hielten, weshalb sie ihn mit Hohnworten und weiteren Hieben vorwärtstrieben. »Mach dir doch nicht schon vorher die Hosen voll«, spottete der Größere der beiden. »Vielleicht hat der Falakaci Başi heute einen gnädigen Tag.« Das Lachen seines Kameraden verriet, wie unwahrscheinlich diese Annahme war. Und Vlad – der bereits mehr als einmal die Bekanntschaft dieses Bestrafungsoffiziers gemacht hatte – spürte, wie sich unbeschreibliche Furcht in ihm ausbreitete. In dem fruchtlosen Versuch, das Unvermeidbare hinauszuzögern, ließ er seine Glieder erschlaffen und biss die Zähne aufeinander, als die Janitscharen ihn grob weiterschleiften.
    Viel zu schnell gelangten sie zu dem eisenbeschlagenen Tor eines Wachturms, in dessen Innerem sich winzige Zellen befanden. Der helle Stein des Gebäudes täuschte über seinen düsteren Zweck hinweg, doch als Vlad mit einem Fußtritt auf den strohbedeckten Boden befördert wurde, stieg ihm der Gestank der Todesangst in die Nase. Zitternd kämpfte er sich auf die Knie, während seine Bewacher dem Kerkermeister Anweisungen gaben. »Er hat Prinz Mehmet beleidigt.« Die Worte klangen unheilvoll und schienen das Vergehen schlimmer zu machen, als es ohnehin schon war. »Bestraft ihn aufs Härteste, aber tötet ihn nicht«, warnte einer der Janitscharen.
    Vlad hatte Mühe, sich nicht erneut zu übergeben. Was würde es diesmal sein? Die Peitsche, deren geflochtene Riemen bereits ein nicht mehr auszulöschendes Muster aus Narben auf seinen Rücken gemalt hatte? Oder die Falaka , der furchtbare Stock, der jede Fußsohle innerhalb weniger Augenblicke in einen blutigen Brei verwandelte? Oder das Unaussprechliche?
    Die Schande, die furchtbare Befleckung, vor der er Radu erfolglos hatte beschützen wollen? Er fuhr mit einem Keuchen zusammen, als die schwere Tür ins Schloss fiel und das Tageslicht aussperrte. »Bring ihn ganz nach unten«, wies der Kerkermeister einen ausgemergelten Burschen an. »Und vergiss nicht, ihn anzuketten.« Der Angesprochene nickte wortlos, half Vlad erstaunlich vorsichtig auf die Beine und schob ihn auf eine schmale Treppe zu, die direkt in den Schlund der Hölle zu führen schien. Zögernd griff er nach einer Fackel, ehe er sich mit dem Gefangenen in den Abgrund hinabtastete.
    Unten angekommen, wies er Vlad wortlos an, sich nach rechts zu wenden. Wenig später erreichten sie eine niedrige, vergitterte Pforte. Dahinter wartete eine Zelle, in der ein Kind kaum aufrecht stehen konnte – geschweige denn ein ausgewachsener Mann. »Dort hinüber«, flüsterte der Bursche, dem anzusehen war, dass ihm nicht wohl war bei der Aufgabe. War das Mitleid in seinen Augen? Vlad senkte hastig den Kopf, um die plötzliche Scham zu verbergen, die ihn siedend heiß übergoss.
    Wusste der Junge, was ihn erwartete? Wusste es bereits der ganze Sultanshof, dass er, Prinz Vlad Draculea, Sohn des Woiwoden der Walachei, Mitglied des Drachenordens – des größten christlichen Ritterordens aller Zeiten – nichts weiter war als ein Lustknabe für die
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