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Der Täter / Psychothriller

Der Täter / Psychothriller

Titel: Der Täter / Psychothriller
Autoren: John Katzenbach
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mich umbringen«, erklärte sie und schnappte nach Luft.
    Simon Winter geleitete Sophie Millstein in sein Wohnzimmer und verfrachtete sie auf sein durchgesessenes Sofa.
    »Niemand bringt irgendwen um, Mrs.Millstein. Jetzt hol ich Ihnen erst mal was Kaltes zu trinken, und dann können Sie mir erklären, was Sie so in Panik versetzt.«
    Sie sah ihn mit einem gehetzten Blick an. »Ich muss die anderen warnen!«
    »Ja, schon gut. Ich werde Ihnen helfen, aber jetzt trinken Sie erst was und erzählen mir dann der Reihe nach, was los ist.«
    Sie machte den Mund auf, um etwas zu erwidern, doch dann fehlten ihr die Worte. Als wollte sie überprüfen, ob sie Fieber habe, legte sie die Hand an die Stirn und sagte: »Ja, ja. Eistee, falls Sie welchen haben. Es ist so heiß. Manchmal kommt es mir im Sommer so vor, als verbrauchte die Hitze sämtlichen Sauerstoff.«
    Simon Winter nahm hastig seinen Abschiedsbrief und den Revolver vom Sofatisch und eilte in die Küche. Er fand ein sauberes Glas, goss Wasser, Eiswürfel und eine Mischung Instant-Tee hinein. Seinen Brief ließ er auf der Arbeitsplatte liegen, doch bevor er Sophie Millstein ihr Glas zurückbrachte, blieb er stehen, lud seinen Revolver wieder mit den fünf Kugeln aus seiner Hosentasche. Er hob den Kopf und sah, wie die alte Frau ins Leere starrte, als nähmen vor ihrem geistigen Auge Erinnerungen Gestalt an. Er spürte, wie ihn eine seltsame Erregung und ein Gefühl der Dringlichkeit packte. Sophie Millsteins Angst schien ihr die Kehle zuzuschnüren und wie dichter Rauch über dem Raum zu liegen. Er atmete tief durch und eilte an ihre Seite.
    »Jetzt trinken Sie das erst mal«, sagte er wie zu einem kranken Kind. »Und dann schildern Sie in Ruhe, was los ist.«
    Sophie Millstein nickte und nahm ihr Glas in beide Hände, um die schaumige braune Flüssigkeit mit gierigen Schlucken hinunterzuspülen. Sie holte tief Luft und drückte sich das kühle Glas an die Stirn. Simon Winter sah, wie ihr die Tränen in die Augen traten.
    »Er bringt mich um«, beteuerte sie wieder. »Und ich will nicht sterben.«
    »Mrs.Millstein, bitte«, erwiderte Simon Winter. »Wer?«
    Sophie Millstein lief ein Schauer über den ganzen Körper, dann flüsterte sie auf Deutsch: »
Der Schattenmann.
«
    »Wer? Ist das ein Name?«
    Sie funkelte ihn an. »Niemand kannte seinen Namen, Mr.Winter, jedenfalls niemand, der überlebt hat.«
    »Aber wer …«
    »Er war ein Gespenst.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ein Dämon.«
    »Wer?«
    »Er war teuflisch, Mr.Winter, so teuflisch, dass es Ihre Vorstellungskraft übersteigt. Und jetzt ist er hier. Wir wollten es nicht glauben, aber da lagen wir falsch. Mr. Stein hat uns gewarnt, aber wir kannten ihn nicht, wieso sollten wir ihm also glauben?«
    Sophie Millstein zitterte sichtlich.
    »Ich bin alt«, flüsterte sie. »Ich bin alt, aber ich will nicht sterben.«
    Simon Winter hob die Hand. »Mrs.Millstein, bitte, Sie müssen das erklären. Lassen Sie sich Zeit und sagen Sie mir, um wen es geht und wieso Sie solche Angst haben.«
    Sie nahm noch einen ausgiebigen Schluck von ihrem Eistee und stellte das Glas vorsichtig ab. Dann nickte sie langsam und versuchte, sich ein wenig zu fassen. Als sie die Hand erneut an die Stirn hob, strich sie sich mit den Fingern sachte über die Brauen, als könne sie auf diese Weise eine verhärtete Erinnerung lösen, und dann wischte sie die Tränen weg, die in ihren Augen standen. Sie holte tief Luft und blickte zu ihm auf. Er sah, wie sie die Hand bis zum Hals sinken ließ, wo sie für einen kurzen Moment die Halskette berührte, die sie trug. Sie war auffällig; ein dünnes Goldkettchen mit einem Schildchen daran, in das ihr Vorname eingraviert war, doch was dieses Halsband von denen unterschied, die jeder zweite Teenager trug, war ein Paar kleine Diamanten an den beiden Enden des S in
Sophie
. Simon Winter wusste, dass ihr verstorbener Mann dafür zu ihrem Geburtstag tief in seine bescheidene Pensionskasse gegriffen hatte, bevor er an Herzversagen starb, und genauso wie den Ehering an ihrem Finger legte sie es niemals ab.
    »Es ist so schwer, das zu erzählen, wissen Sie. Seitdem sind so viele Jahre vergangen, dass es mir manchmal vorkommt wie ein böser Alptraum. Doch der Alptraum ist wirklich passiert, Mr.Winter, nur ist es fünfzig Jahre her.«
    »Erzählen Sie weiter, Mrs.Millstein.«
    »1943 waren wir, meine Familie – Mama, Papa, mein Bruder Hansi –, immer noch in Berlin. Versteckt …«
    »Fahren Sie
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