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Der Sturm aus dem Nichts

Der Sturm aus dem Nichts

Titel: Der Sturm aus dem Nichts
Autoren: James G. Ballard
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in die Gewalt zu bekommen; er stemmte die Füße fest auf den Boden und preßte die Schultern gegen die steife Rücklehne des Stuhles. Über die niedrige Decke floß fluoreszierendes Licht. Schon nach wenigen Sekunden hörte sein Gesicht auf zu brennen, und er senkte langsam die Augen.
    Direkt vor ihm saß auf einem breiten, mit Krokodilleder bezogenen Schreibtisch ein vierschrötiger, breitschultriger Mann im dunklen Anzug. Sein großer Kopf glich dem eines Bullen; unter einer hochgewölbten Stirn lagen zwei kleine Augen, eine kurze Nase, ein Mund so schmal wie ein Messerrücken und ein vorspringendes Kinn. Seine Miene war düster und drohend.
    Er betrachtete Maitland kühl, ohne das rote Rinnsal zu beachten, das sich Maitland von den Lippen wischte. Dunkel entsann sich Maitland dieses Gesichtes, das er auf ein paar Pressefotos gesehen hatte. Es war Hardoon. Maitland sah sich im Zimmer um und überlegte, wieviel Zeit seit ihrer Ankunft wohl vergangen war. Hardoon beugte sich vor und klopfte mit dem Fingerknöchel auf die Schreibtischplatte.
    »Sind Sie wieder ganz da, Doktor?« fragte er. Seine Stimme war sanft und doch kalt. Er wartete, bis Maitland eine Antwort murmelte, dann nickte er den Wachen zu, die sich an der rückwärtigen Wand postierten.
    »Gut. Während Sie im Reich der Träume weilten, haben mir Ihre Gefährten von Ihrer Entdeckungsfahrt berichtet. Es tut mir aufrichtig leid, daß Ihr kleiner Ausflug hier enden mußte. Ich muß mich für die Unfähigkeit meiner Verkehrspolizei entschuldigen. Sie hätten Sie nie hereinlassen dürfen. Aber leider ist Kroll ...«, er wies auf den großen Wachmann mit dem Dreieck auf dem Helm, der neben dem Schreibtisch an der Wand lehnte, »aufgehalten worden, sonst hätten Sie Ihre Fahrt nach Portsmouth ungehindert fortsetzen können.«
    Er faßte Maitland scharf ins Auge, dann nahm er seine Zigarre aus dem silbernen Aschenständer hinter dem Schreibtisch.
    Erstaunt, daß Hardoon sich die Mühe machte, ihn auszufragen, rieb sich Maitland das Gesicht und sah sich um.
    Der Raum war ein großes, getäfeltes Büro, dessen dicke Wände den Klang ihrer Stimmen weitgehend absorbierten. Hinter ihm, wo die Wachen standen, befanden sich hohe Bücherregale, die nur von einer Tür unterbrochen wurden. Fenster gab es nicht, doch hinter Hardoons Schreibtisch entdeckte Maitland in Schulterhöhe eine von Blenden verdeckte Nische.
    Hardoon zog nachdenklich an seiner Zigarre. »Ich fürchte, ich bin schon wieder einmal Persona non grata bei den Behörden«, fuhr er mit seiner leisen Stimme fort. »Es war dumm von Kroll, Marshall noch unseren Aufenthaltsort durchgeben zu lassen. Aber das gehört nicht hierher.«
    Maitland beugte sich vor. Deutlich bemerkte er, wie die Wachen aufmerkten und Hardoon zusammenzuckte. »Was haben Sie mit Halliday gemacht?« fragte er und tastete mit der Zunge die wunden Stellen im Mund ab. »Ihn hat ein Schuß getroffen, als wir ankamen.«
    Hardoons Gesicht blieb unbewegt, nur die Augen zogen sich bei dieser Frage zusammen. »Ein tragisches Mißverständnis. Glauben Sir mir, Doktor, mir ist Gewalttätigkeit ebenso zuwider wie Ihnen. Meine Polizei nahm an, Sie seien Kroll. Ihr Fahrzeug ist vom selben Typ. Als die Männer den Irrtum bemerkten, waren sie verständlicherweise etwas verärgert. Aber solche Versehen kommen vor.«
    Sein Ton war nüchtern, und obgleich seine Augen fest auf Maitlands Gesicht geheftet blieben, hatte dieser das Empfinden, daß Hardoons Aufmerksamkeit nicht ihm galt.
    »Wo sind die anderen?« fragte Maitland. »Die beiden Amerikaner und das Mädchen?«
    Hardoon fuhr mit der Zigarre durch die Luft. »Im ...« Er suchte nach einem passenden Ausdruck, »im Besucherquartier. Es ist übrigens durchaus gemütlich dort. Mr. Symington erlitt unterwegs einige leichtere Verletzungen und befindet sich im Krankenzimmer. Ein sehr nützlicher Mann; wir wollen hoffen, daß er sich bald erholt.«
    Maitland studierte Hardoons Gesicht. Der Millionär war etwa fünfundfünfzig Jahre alt, noch immer kräftig von Statur, doch mit seltsam glanzlosen Augen.
    »Aber nun, Doktor, wollen wir zur Sache kommen. Ihr Auftauchen hier versetzt mich in eine Lage, aus der das Beste zu machen ich fest entschlossen bin.« Als Maitland die Stirn runzelte, lächelte Hardoon herablassend. »Nein, ich brauche keinen Arzt, weit gefehlt. Wir haben mehr als genug Ärzte und Schwestern hier. Sie werden überhaupt feststellen, daß dies eine der wirkungsvollsten Bastionen gegen den
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