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Der Sturm

Der Sturm

Titel: Der Sturm
Autoren: Per Johansson
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vergangenen vierundzwanzig Stunden haben wir versucht, die Angaben Wilhelm af Sthens so weit wie möglich zu überprüfen. Ich denke, wir können zumindest so viel sagen, dass Wilhelm af Sthen tatsächlich auf dem Fahrersitz des BMW s gesessen hatte, der vor ein paar Tagen in einem Wald nicht weit von Ekeby Gård gefunden wurde. Oder, Pelle?«
    Pelle Larsson übernahm das Wort, erkennbar stolz, dass die Chefin eine Frage an ihn richtete: »Wir haben den Wagen natürlich sofort nach dem Auffinden spurentechnisch untersuchen lassen. Seit gestern Abend gleichen wir die Befunde mit den Daten ab, die wir von Wilhelm af Sthen besitzen. Eine endgültige Sicherheit wird es erst in einigen Wochen geben, wenn die Laboratorien ihre Arbeit beendet haben. Aber schon jetzt lässt sich sagen, dass die Angaben Wilhelm af Sthens zumindest in dieser Hinsicht in mehr als wahrscheinlicher Weise korrekt sind.«
    »Ist es nicht seltsam«, fragte der freundliche ältere Mann von »Sydsvenska Dagbladet«, »dass das Auto nur in den Wald gefahren wurde. Ich meine, jeder Kleinkriminelle weiß doch heutzutage, dass es so etwas wie DNA -Spuren gibt. Warum, meint die Polizei, wurde das Auto nicht angezündet?«
    »Das wissen wir nicht. Selbstverständlich haben wir diese Frage erörtert, aber wir können da nur Mutmaßungen anstellen. Wenn es stimmt, was Wilhelm af Sthen zu Protokoll gab, wäre ein Mangel an krimineller Erfahrung durchaus in Erwägung zu ziehen. Außerdem mag es sein, dass in dieser Gegend ein offenes Feuer doch sehr aufgefallen wäre. Hast du schon einmal den Rauch gesehen, der aus einem brennenden Fahrzeug aufsteigt?«
    Der ältere Mann schüttelte den Kopf.
    »Na, siehst du. Eine solche Rauchsäule sieht man meilenweit.«
    »Ich weiß, dass das jetzt sehr spekulativ klingt …« Zaghaft sprach ein sehr junger Mann diesen Satz aus. »Aber könnte es sein, dass der Tod Wilhelm af Sthens mit dem Mord an dem deutschen Journalisten in Verbindung steht?«
    »Soweit wir ermessen können, fiel Wilhelm af Sthen einem Unfall zum Opfer, wie es nach dem Sturm mehrere gegeben hatte.«
    »Gibt es weitere Fragen?« Åsa Lindvall blickte keck über die wie manisch kritzelnde, fest die Aufnahmegeräte umklammernde, panisch auf ihre Smartphones schielende Schar der Journalisten hinweg.
    »Was sagt die deutsche Polizei dazu?« Es war klar, dass nun keine weiteren Fragen mehr kommen würden.
    »Selbstverständlich haben wir die Kriminalpolizei in Berlin sofort informiert. Morgen Vormittag erwarten wir zwei Kollegen, die uns bei den weiteren Ermittlungen unterstützen werden. Die Konferenz ist beendet.«
    Den ganzen Tag über hatte die Erinnerung an Wilhelm af Sthen die schwedischen Nachrichten beherrscht. Freunde, Gefährten, Feinde, sie alle hatten zu einem medialen Denkmal beigetragen, das überlebensgroß den Äther beherrschte – bis die Nachricht, Wilhelm af Sthen sei womöglich ein Mörder gewesen, in dieses Monument fuhr wie eine Axt. Die Rundfunk- und Fernsehsender brachten Sondersendungen, erzählten das Leben eines aristokratischen Volkshelden, rekapitulierten seine großen Auftritte, zeigten sein Schloss und seine Wälder, und jede Äußerung, jedes Bild war unterlegt mit einem dunklen, dramatischen Ton. Ronny hatte einen Stimmungsbericht von der letzten Begegnung mit Wilhelm per Telefon an seine Redaktion durchgegeben, der jetzt Teil mehrerer Sonderseiten wurde, die Mats Eliasson persönlich gestaltete. Es war – als wäre der König nicht nur tot, sondern als hätte er auch getötet.

Fünfundfünfzig
    Während all dies geschah, gingen Benigna Klint, Katarina und Ronny Gustavsson durch Pildammsparken und Slottsparken hinaus zum Meer, nach Ribersborg, und dann die Strandpromenade entlang Richtung Süden. Die Öresundsbrücke war am Horizont zu sehen. Es war graues Novemberwetter, es nieselte, und hin und wieder blies ein kalter Windstoß einen Haufen fauligen Laubs auseinander. Keiner der drei redete. Die beiden Frauen gingen ein paar Schritte voran, während Ronny, in seinen Gedanken verloren, hinter ihnen her wanderte. Hin und wieder schaute er sich um. Aber es folgte ihnen keiner. Er zweifelte daran, dass Wilhelm af Sthen den Deutschen ermordet hatte. Das Bekenntnis passte nicht zu der Vorstellung, die er von Wilhelm gewonnen hatte. Da war ein falscher Ton, eine falsche Art der Erzählung, ein falscher Zugriff auf die Geschichte. Wenn er Benigna anblickte, meinte er in ihrem Gesicht den gleichen Zweifel zu erkennen.
    Sie
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