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Der stumme Handlungsreisende

Der stumme Handlungsreisende

Titel: Der stumme Handlungsreisende
Autoren: Michael Lewin
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sah, daß er eine polizeiähnliche Uniform trug. Er war eindeutig
     ein Sicherheitsmann.
    »Also, hören Sie
     doch…«, sagte ich.
    Aber Evan kam, ohne zu zögern,
     auf mich zu, bis er neben mir vor dem Empfangstisch stand. »Sie
     wollen einen Mann besuchen, der nicht besucht werden darf«, begann
     er. Offensichtlich hatte er unseren Wortwechsel von Anfang an verfolgt.
     »Ich habe jedes Verständnis für Ihre Situation, glauben
     Sie mir. Aber ich denke, wenn ich an Ihrer Stelle wäre, würde
     ich die ganze Sache einfach fallenlassen, denn wenn Sie weiterhin
     versuchen, diesen Mann zu sehen, kann niemand sagen, was geschehen wird.
     Sie könnten ihn infizieren oder schuld daran sein, daß er einen Rückfall erleidet. Nun,
     ich zeichne das schwärzest-mögliche Bild, wirklich das schwärzeste,
     aber wenn Sie diesen Mann infizieren, könnte er möglicherweise
     sogar sterben, nur weil Sie darauf bestanden haben, ihn zu sehen. Man könnte
     Sie vor Gericht stellen wegen Totschlags oder sogar wegen Mordes.«
    Evan hatte keine Waffe, aber
     er hatte seine Zunge.
    »Ich entnehme daraus,
     daß Sie mich nicht zu John Austin Pighee lassen wollen und daß
     Sie mich auch nicht mit dem diensthabenden Arzt sprechen lassen wollen.
     Ist das korrekt?«
    »Er darf keinen Besuch
     empfangen«, sagte Evan nachdrücklich.
    »Ich komme wieder«,
     sagte ich. Und ging.
    Aber ich ging nicht so weit,
     wie sie es von mir erwarteten. Nur bis zu den Verwaltungsbüros des
     Krankenhauses.
    »Ja?« sagte der
     Mann, der in dem Raum, an dem »Verwaltungschef« stand, am
     Schreibtisch saß. »Kann ich etwas für Sie tun?«
    »Der Verwaltungschef möchte
     mich sprechen«, sage ich.
    »Haben Sie eine
     Verabredung?« Er spähte in einen offenen Terminkalender.
    »Besser, er spricht
     jetzt mit mir, als daß er wartet, bis mein Klient das Krankenhaus
     verklagt.«
    »Ei… einen
     Augenblick«, sagte er und verschwand in einem weiteren Zimmer.
    Es dauerte tatsächlich
     nur einen Augenblick.
    Der Verwaltungschef war eine
     kleine, müde Frau mit sorgfältig frisierten, schon ein wenig spärlich
     gewordenen weißen Haaren. Ihre Stimme
     war fest in den Tiefen Indianas verwurzelt und ohne überflüssige
     Schnörkel. »Ich höre, daß Sie mich dringend sprechen
     wollen.«
    Ich zeigte ihr meinen
     Ausweis, der bewies, daß ich ordnungsgemäß als Detektiv
     des Staates Indiana zugelassen war, und zwar gemäß der Indiana
     Acts von 1961, Kapitel 163.
    »So, so, ein
     Privatdetektiv«, sagte sie nüchtern. Die Frau hatte also schon
     früher mit solchen wie mir zu tun gehabt. »Und in welcher
     Angelegenheit wollen Sie mich sprechen?«
    »Ich habe eine
     Klientin, die ihren Bruder besuchen möchte und das nicht darf. Die Gründe,
     die man ihr dafür nennt, genügen ihr nicht.«
    »Hmm«, sagte sie.
     »Ein Patient von uns?«
    Ich nickte.
    »Und der Name des
     Patienten?«
    Ich nannte ihn ihr.
    »Und wo liegt er?
     Welche Station?«
    »Meine Klientin sagt,
     er liege in der ›Loftus-Klinik‹, aber ich habe nur etwas
     finden können, was ›Loftus-Pavillon‹ heißt.«
    »Aaah«, sagte die
     Verwaltungschefin und entspannte sich.
    »Und was genau soll
     dieses ›Aaah‹ heißen?«
    »Nun, die Loftus-Klinik
     ist ein Teil des Loftus-Pavillons. Sie ist eine Versuchsstation, und ein
     Patient von dort kann durchaus unter anderen Auflagen stehen als die
     Patienten im übrigen Teil des Pavillons.«
    »Versuchsstation?«
     fragte ich.
    Sie gab mir keine Antwort.
     »Die Verwaltung der Loftus-Klinik ist nicht meine Sache.«
    »Ich dachte, Sie wären
     die oberste Verwaltungschefin des Krankenhauses.«
    »Die bin ich auch«,
     sagte sie. 
    Ich wartete einen Augenblick
     auf eine Erklärung, aber es kam keine. »In der Klage, die meine
     Klientin erhebt, wird Ihr Name stehen«, sagte ich.
    »Wenn Sie irgend etwas
     unternehmen, das mich involviert, werden Sie damit ins Leere laufen. Im
     Gegenzug für die Errichtung eines zweiundfünfzig Betten
     umfassenden Anbaus, genannt Loftus-Pavillon, behält Loftus
     Pharmazeutika die Kontrolle und die legale Verfügungsgewalt über
     eine zehn Betten umfassende Forschungseinheit, genannt Loftus-Klinik. Das
     Erdgeschoß des neuen Flügels umfaßt die Klinik sowie
     technische Einrichtungen und die Aufnahme. Die oberen Stockwerke, genannt
     Loftus-Pavillon, stehen unter meiner Aufsicht, aber wenn der Verwandte
     Ihrer Klientin in der Loftus-Klinik liegt, müßten Sie sich an
     die Gesellschaft
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