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Der stille Amerikaner

Der stille Amerikaner

Titel: Der stille Amerikaner
Autoren: Graham Greene
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weitgehend sein eigener Herr ist.«
    »Was ist er denn? Agent des O.S.S.?«
    »Die Anfangsbuchstaben sind nicht das Entscheidende. Ich glaube jetzt, sie lauten anders.«
    »Heng, was kann ich unternehmen? Man muß ihm das Handwerk legen.«
    »Sie können die Wahrheit veröffentlichen. Oder ist Ihnen das vielleicht unmöglich?«
    »Meine Zeitung interessiert sich nicht für General Thé. Dort interessiert man sich nur für Ihre Leute, Heng.«
    »Mr. Fowler, Sie wollen wirklich, daß Mr. Pyle das Handwerk gelegt wird?«
    »Wenn Sie ihn gesehen hätten. Er stand da und behauptete, es sei alles ein bedauerlicher Irrtum gewesen. Eigentlich hätte eine Parade stattfinden sollen. Er meinte, er müsse sich die Schuhe putzen lassen, bevor er zum Gesandten gehe.«
    »Natürlich könnten Sie das, was Ihnen bekannt ist, auch der Polizei mitteilen.«
    »Die interessiert sich ja auch nicht für Thé. Und glauben Sie, sie würde es wagen, einen Amerikaner anzurühren? Er genießt die Privilegien eines Diplomaten. Er ist Absolvent der Universität Harvard. Der Gesandte hält sehr viel von Pyle. Heng, dort war eine Frau, deren Baby – sie bedeckte es mit ihrem Strohhut. Der Anblick verfolgt mich. Und in Phat Diem sah ich ein anderes Kind.«
    »Sie müssen versuchen, die Ruhe zu bewahren, Mr. Fowler.«
    »Heng, was wird er als nächstes tun?«
    »Wären Sie tatsächlich bereit, uns zu helfen, Mr. Fowler?«
    »Er führt sich hier auf wie der Elefant im Porzellanladen, und wegen seiner Irrtümer müssen Menschen sterben. Hätten ihn Ihre Leute doch nur auf seiner Flußfahrt nach Nam Dinh erwischt. Das hätte für so viele Leben so viel Unterschied gemacht.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, Mr. Fowler. Man muß ihn aufhalten. Ich mache Ihnen einen Vorschlag.« Jemand hüstelte leise hinter einer Tür und spuckte dann geräuschvoll aus. Heng sagte: »Laden Sie ihn doch heute abend zum Dinner im ›Vieux Moulin‹ ein. Zwischen halb neun und halb zehn.«
    »Was erhoffen Sie sich davon?«
    »Wir könnten auf dem Weg dorthin mit ihm sprechen«, sagte Heng.
    »Es kann aber sein, daß er schon verabredet ist.«
    »Dann wäre es vielleicht besser, wenn Sie ihn bäten, er möge Sie besuchen – sagen wir um sechs Uhr dreißig. Da wird er Zeit haben: Er wird gewiß kommen. Wenn es ihm möglich ist, mit Ihnen essen zu gehen, dann treten Sie mit einem Buch in der Hand ans Fenster, als ob Sie zum Lesen besseres Licht haben wollten.«
    »Warum gerade das ›Vieux Moulin‹?«
    »Es liegt an der Brücke nach Dakow – ich glaube, dort werden wir einen Platz ausfindig machen, wo wir uns mit ihm ungestört unterhalten können.«
    »Und was haben Sie vor?«
    »Das werden Sie nicht wissen wollen, Mr. Fowler. Aber ich verspreche Ihnen, daß wir so rücksichtsvoll mit ihm umgehen werden, wie es die Situation gestattet.«
    Hinter der Wand bewegten sich Hengs unsichtbare Freunde gleich Ratten. »Werden Sie das für uns tun, Mr. Fowler?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich, »ich weiß nicht.«
    »Früher oder später«, sagte Heng und erinnerte mich an Hauptmann Trouins Äußerungen im Opiumhaus, »muß man Partei ergreifen. Wenn man ein Mensch bleiben will.«

2
     
    Ich hinterließ eine Nachricht in der Gesandtschaft, in der ich Pyle bat, mich zu besuchen, und ging dann die Straße hinauf zu einem Drink ins »Continental«. Die Trümmer waren bereits weggeräumt worden; die Feuerwehr hatte den Platz mit ihren Schläuchen abgespritzt. Ich hatte damals noch keine Ahnung, wie wichtig Zeit und Ort noch werden sollten. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, den ganzen Abend dort zu sitzen und meine Verabredung sausen zu lassen. Dann überlegte ich, daß ich Pyle vielleicht durch eine Warnung vor der ihm drohenden Gefahr – worin immer diese bestehen mochte – einschüchtern und so von weiteren Aktivitäten abhalten konnte. Also trank ich mein Bier aus und ging nach Hause; und als ich dort angekommen war, begann ich zu hoffen, daß Pyle nicht kommen würde. Ich versuchte zu lesen, doch in meinen Bücherregalen gab es nichts, was fesselnd genug gewesen wäre. Vielleicht hätte ich rauchen sollen, aber es war niemand da, der mir eine Pfeife gerichtet hätte. Widerwillig lauschte ich nach Schritten, und endlich kamen sie. Es klopfte. Ich öffnete die Tür, doch es war nur Dominguez. Ich sagte: »Was wollen Sie denn, Dominguez?« Er sah mich etwas erstaunt an. »Was ich will?« Er blickte auf seine Uhr. »Um diese Zeit komme ich doch immer hierher. Haben Sie irgendwelche
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