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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler
Autoren: Robert Hueltner
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Ich nehme an, Sie ebenfalls.«
    Ratold hatte nichts zu entgegnen. Er war in einer Zwickmühle. Paccoli durfte sich auf keinen Fall aus seiner Hofmark zurückziehen. Es ging nicht allein um die Steuererträge. An der Schmelzerei im Tal hingen die Arbeitsplätze vieler armer Bauern, die ohne diesen Zuverdienst zugrunde gehen würden. Die Bergleute konsumierten zudem nicht unerheblich, auch das Fuhrwesen und so manch anderer Erwerbszweig profitierten von der Existenz der Bleigruben am Kogelberg. Andererseits –
    »So begreifen Sie doch meine Lage«, begann Ratold beinaheflehend. Er deutete auf den Dorfplatz. »Wie kann ich die Leute in Eisen schließen, bloß weil sie für den Winter ein paar Reiser aus dem Wald ziehen, Sie aber ohne Entgelt Holz einschlagen lassen? Das schafft mir Unruhe im Ort!«
    Paccolis Brauen hoben sich spöttisch. Lauernd sagte er: »Ah? So sehr muss sich schon darum gekümmert werden, was der Pöbel meint?«
    Ratold fuhr herum und starrte den Unternehmer an, der seinem Blick ruhig standhielt.
    »Was... was klingt da mit?«, fragte er mit rauer Stimme. Paccoli lächelte unschuldig.
    »Wie meinen Sie? Was sollte da mitklingen? Ich fragte lediglich –«
    Ratold brauste auf: »Ich habe nichts, aber auch gar nichts mit gewissen geheimbündlerischen Ideen zu tun!«
    »So beruhigen Sie sich doch, lieber Herr Richter«, sagte der Unternehmer, noch immer Unschuld und Unverständnis in Person. »Wer würde so niederträchtig sein, das zu behaupten? Wer würde es wagen, Sie bei der Obrigkeit in schlechtes Licht zu setzen?«
    »Ich rat es keinem!«, donnerte der Richter. Sein Gesicht war krebsrot. Er atmete schwer. »Wenn ich mit Baron von Playen zu tun habe, dann ausschließlich aus amtlichen Anlässen!«
    Seine Hand tastete nach der Stuhllehne. Paccoli musterte ihn besorgt. Er stand auf, stellte sich an die Seite Ratolds und legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Zählen Sie auf mich, lieber Herr Richter«, sagte er mit warmer Stimme, in die sich jetzt ein wenig verschwörerisches Pathos mischte. »Zählen Sie auf mich als leidenschaftlichsten Zeugen für die äußerste Ferne des Herrn Richter zu jeder illuminatischer, freimaurerischer oder sonstiger Geistespest!«
    Wie zum Beweis hob er die Schwurhand. Er lächelte dem Richter aufmunternd zu. Ratold fasste sich wieder. Seine kleinen Augen irrten über das Gesicht des Unternehmers, als suchten sie noch nach einem Zeichen, das den fürchterlichen Verdacht,der ihn kurz zuvor überkommen hatte, doch noch bestätigen konnte. Doch er sah nur das milde Lächeln eines verständnisvollen Freundes. Er räusperte sich und streifte Paccoli mit einem betretenen Blick.
    »Ich«, er räusperte sich erneut, »ich hatte übrigens nie – äh – ich nahm nie an, dass –«
    Paccoli lächelte generös.
    »Selbstverständlich, Herr Richter«, versicherte er. Ratold bedachte ihn mit einem dankbaren Blick. Der Unternehmer erwiderte ihn zu seinem Erstaunen nicht. Er ging zum Fenster und blickte in den trüben Himmel.
    »Allerdings...«, begann er, und seine Stimme klang jetzt leidend, und sie war mit einem vorwurfsvollen Ton durchsetzt, »...allerdings würde ich mir, in aller Bescheidenheit, auch ein wenig mehr Verständnis für die Nöte eines freien Unternehmers wünschen.«
    »Als wenn ich das nicht immer wieder bewiesen hätte!«, verteidigte sich Ratold. »Ich wiederhole, Monsieur: Verstehen Sie bitte meine Lage! Als Richter habe ich Mittler zwischen der Gesamtheit der Untertanen und dem Gesetz zu sein! Meine persönliche Empfindung ist dabei ohne Belang, wenn ich auch gestehen muss, dass ich mich gerade in Ihrem Fall in eine äußerst unangenehme Position gesetzt sehe.«
    »Lieber Herr Richter!«, rief Paccoli, sich ihm wieder zuwendend. »Sie waren doch immer ein bewundernswertes Muster an Gelassenheit! Woher plötzlich diese... wie soll ich es nennen... nervöse, der Sache zudem völlig unangemessene Skrupulösität?«
    »Weil es leider noch einen weiteren Vorwurf gibt«, sagte Ratold gequält. »Eine empörende Verdächtigung, daran besteht kein Zweifel. Aber leider bin ich gehalten, ihr nachzugehen.«
    »Ach?« Paccoli musterte ihn mit kühler Aufmerksamkeit. »Und welche?«
    Ratold wand sich.
    »Dass... nun, dass Sie das Holz, das Sie in dieser Gemeindeschlagen, nicht, wie den Bergleuten versprochen, zur Sicherung Ihrer Gruben verwenden, sondern –«
    »Sondern?«, sagte Paccoli scharf. Der Richter wich seinem Blick aus.
    »...sondern an die Reichenhaller
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