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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs
Autoren: Jack London
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wurde fortgesetzt.
    Als die Flut kam, warpten die Seefahrer den Schoner in tiefes Wasser und mischten sich dann unter uns. Sie brachten Geschenke und waren freundlich, und ich ließ Platz für sie machen, und da mein Herz weit war, gab ich ihnen Geschenke wie allen andern Gästen; denn es war mein Hochzeitstag, und ich war Häuptling auf Akatan. Und er, der eine Mähne wie ein Seelöwe hatte, war da, und so groß und stark war er, daß man erwartete, die Erde unter seinen Schritten zittern zu sehen. Er kreuzte die Arme und sah viel und scharf auf Unga. Und er blieb, bis die Sonne verschwand und die Sterne hervorkamen. Da ging er zu seinem Schiff hinunter. Ich aber nahm Unga bei der Hand und führte sie in mein eigenes Haus. Und es gab Singen und viel Lachen, und die Frauen scherzten, wie Frauen bei solchen Gelegenheiten tun. Aber wir machten uns keine Sorgen. Da ließ das Volk uns allein und ging heim.
    Der letzte Lärm war verschollen, als der Häuptling der Seefahrer in meine Tür trat. Und er hatte schwarze Flaschen bei sich, und wir tranken und wurden lustig. Denkt daran, daß ich nur ein Knabe war und mein ganzes Leben am Rande der Welt verbracht hatte. Mein Blut wurde zu Feuer und mein Herz so leicht wie der Schaum, der aus der Brandung auf die Klippen fliegt. Unga saß schweigend mit offenen Augen auf den Fellen im Winkel und schien bange zu sein. Und er, der die Mähne des Seelöwen hatte, sah sie scharf und lange an. Dann kamen seine Männer mit Mengen von Gaben, und er häufte so viel Reichtum vor mir auf, wie in ganz Akatan nicht war. Da waren Büchsen, große und kleine, Pulver, Kugeln und Zündhütchen, blanke Beile und Messer aus Stahl und kunstfertige Geräte und seltsame Dinge, wie ich sie noch nie gesehen. Als er mir Zeichen machte, daß das alles mein sei, dachte ich, er sei ein großer Mann in seiner Freigebigkeit. Aber da machte er mir auch Zeichen, daß Unga mit ihm auf sein Schiff gehen sollte, versteht ihr? Unga sollte auf sein Schiff mit ihm gehen. Das Blut meines Vaters flammte plötzlich heiß, und ich schickte mich an, ihn mit meinem Spieß zu durchbohren; aber der Geist der Flaschen hatte das Leben aus meinem Arm gestohlen, und er packte mich am Hals und schlug meinen Kopf gegen die Wand des Hauses. Und da war ich schwach wie ein neugeborenes Kind, und meine Beine wollten mich nicht mehr tragen. Unga schlug und schrie und klammerte sich mit ihren Händen an die Dinge im Hause, bis alles um uns fiel, als er sie zur Tür schleppte. Da nahm er sie in seine großen Arme, und als sie an seinem gelben Haar riß und zerrte, lachte er wie der große Robbenbulle in der Paarungszeit.
    Ich kroch an den Strand und rief meine Leute; aber sie fürchteten sich. Nur Yash-Noosh war ein Mann, und ihm schlugen sie mit einem Ruder auf den Kopf, bis er mit dem Gesicht im Sande lag und sich nicht regte. Und singend heißten sie die Segel, und das Schiff fuhr vor dem Winde fort.
    Mein Volk sagte, es sei gut, dann jetzt würde es keine Blutrache mehr auf Akatan geben; aber ich sagte kein Wort, wartete bis zur nächsten Vollmondzeit, legte Fleisch und Öl in meinen Kajak und fuhr nach Osten. Ich sah viele Inseln und viele Völker, und ich, der ich am Rande der Welt gelebt hatte, sah, daß sie sehr groß war. Ich sprach mit Zeichen; aber sie hatten keinen Schoner und keinen Mann mit einer Mähne wie ein Seelöwe gesehen, und sie zeigten stets nach Osten. Ich schlief an seltsamen Orten, aß sehr merkwürdige Dinge und sah wunderbare Gesichter. Viele lachten, denn sie glaubten, ich sei schwachköpfig. Zuweilen aber wandten alte Männer mein Gesicht gegen das Licht und segneten mich, und die Augen der jungen Frauen wurden milde, wenn sie mich nach dem fremden Schiff und nach Unga und dem Seefahrer ausfragten.
    Und so kam ich durch rauhe Seen und schwere Stürme nach Unalaska. Da lagen zwei Schoner; aber keiner war der, den ich suchte. Ich ging weiter nach Osten, aber die Welt wurde größer, und weder auf den Inseln noch in Unamok wußte jemand von dem Schiff. Und so kam ich eines Tages an ein felsiges Land, wo Männer große Löcher in den Berg gruben. Und dort war ein Schoner, aber nicht der meine, und den belasteten Männer mit den ausgegrabenen Felsstücken. Das fand ich kindisch, denn die ganze Welt war ja aus Felsen gemacht; aber sie gaben mir zu essen und ließen mich arbeiten. Als der Schoner tief genug im Wasser lag, gab der Kapitän mir Geld und sagte, ich könne gehen! aber ich fragte, welchen Weg er ginge,
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