Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers
Autoren: Richard Dübell
Vom Netzwerk:
Neuanfang ist nur möglich, wenn man die Gespenster der Vergangenheit besiegt hat; oder ihnen wenigstens keinen Raum mehr lässt, einen in der Nacht heimzusuchen. Die Beantwortung offener Fragen ist eine gute Methode dafür; die Gespenster mögen keine Antworten.
    Natürlich war es König Kasimir selbst gewesen, der seinen Bankier aus der unmittelbaren Gefahr herausgeholt hatte – und nachdem ihm Mojzesz Fiszel eindringlich dargelegt hatte, was in Krakau wirklich geschah, hatte er einen Boten ausgeschickt, um auch Rebecca in Sicherheit zu bringen. Zugleich bereitete er die Evakuierung der jüdischen Bevölkerung nach Kazimierz vor; eine Aktion, die nicht mehr durchgeführt werden konnte, als die Ereignisse sich überschlugen. Wären Daniel und ich nicht gewesen, wäre Rebecca Fiszel in ihrem Haus geblieben, und der königliche Bote hätte sie angetroffen; mitsamt seiner Botschaft, dass ihr Mann in Sicherheit war, dass sie den Boten zum Wawel begleiten solle – und dass sie die Eltern des Kindes mitzubringen habe, das sich in Verkennung der Umstände und in bewundernswerter Tapferkeit auf die königlichen Soldaten gestürzt habe, um den Bankier Mojzesz Fiszel zu befreien(und das die Soldaten sicherheitshalber zur Burg mitgenommen hatten). Insofern hatten Daniel und ich die Dinge also erst einmal verschlechtert. Nun, ich habe es schon einmal erwähnt, aber diese Weisheit gilt stets: Hinterher ist man klüger.
    Friedrich von Rechbergs Verbindung zu Miechowita war weniger offensichtlich, wenngleich auch hier die Weisheit von eben gilt und die Erkenntnis, dass ich sie mir aus Friedrichs unabsichtlichen Andeutungen selbst hätte zusammenreimen können. Friedrich war Miechowitas Geschäftspartner gewesen – jedenfalls so lange, bis Jana, die von Miechowita ebenfalls umworben worden war, zugesagt hatte und der polnische Kaufmann den Landshuter Münzmeister fallen ließ. Sich mit Jana zusammenzutun, um König Kasimir die Finanzierung der Mitgift zu ermöglichen, trug in Miechowitas Augen eindeutig mehr Erfolgsaussichten als der Handel mit Friedrich von Rechberg; was hatte der Münzmeister schon vorzuweisen außer dem Plan, die fälligen Kreditaufnahmen nötigenfalls mit einem heimlichen Griff in den Silberschatz der herzoglichen Münze abzusichern? Und was hatte ihn getrieben außer der nackten Not, seine Aufgabe erfolgreich abzuschließen? Geschäftssinn? Bestimmt nicht.
    Außerdem stand die Zusammenarbeit zwischen Friedrich von Rechberg und dem Mann, der sich mit ihm den Namenspatron teilte, von Anfang an unter einem schlechten Stern. Kaum hatten sie ihre Strategie ausgearbeitet, da schien es, als würde König Kasimir alle Warnungen seiner Ratgeber in den Wind schlagen und doch bei den Juden borgen wollen. Miechowita fand zwar die Lösung für diese Bedrohung: Er sorgte für die Feierlichkeit in seinem Haus, in deren Verlauf Zofia Weigel und Samuel ben Lemel Gelegenheit erhielten, in einem der vielen Räume allein zu sein. Er sorgte ebenfalls dafür, dass die beiden rechtzeitig entdeckt wurden und kochte den Skandal – als Zofia sich weigerte, die Geschändete zu geben – selbst hoch genug, um die Juden zudiskreditieren und ein für alle Mal als Gesprächspartner für den König unmöglich zu machen.
    Aber – jeder Plan besitzt ein großes Aber, und manchmal ist es nur Glück, wenn es nicht zum Zuge kommt (im Fall von Friedrichs und Miechowitas Plan mischte es sich allerdings ständig ein) – aber : Miechowita hatte nicht mit der Verhandlungsbereitschaft Laurenz Weigels gerechnet und dass der Skandal unter dem Tisch bleiben würde. Da bot sich Julius Avellino an, der seit Wochen unter dem Dach von Kardinal Jagiello hauste und mit seinen Hetzpredigten weniger Zuhörer begeisterte, als sich gefunden hätten, um einer Henne beim Eierlegen zuzuschauen. Friedrich und Miechowita fütterten Avellino mit der Kunde, dass Samuel ben Lemel die zarte Zofia Weigel geschändet habe (Ein Jude! Vergewaltigt! Eine christliche! Jungfrau!) und dass die gewissenlose Familie des Verbrechers dem Vater des Opfers Blutgeld dafür anbot. Julius Avellino allerdings nahm die Kunde ganz anders auf: Ein christlicher! Kaufmann! Nimmt das schlechte Geld eines Juden! Geld, das er mit der Unschuld seiner Tochter erkauft, Geld, das er in seinem Reichtum ohnehin nicht braucht, weil er ein vermögender deutscher Pfeffersack ist, der den rechtschaffenen polnischen Handwerkern die Luft zum Atmen nimmt. Jetzt hatte Julius Avellino ein Thema gefunden, mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher