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Der Sohn des Alchemisten

Der Sohn des Alchemisten

Titel: Der Sohn des Alchemisten
Autoren: dtv
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schon«, murmelte Marie leise. »Ich bin nur eine davongejagte kleine Magd.«

»Das hier wird euch guttun.« Der Mönch schöpfte Marie dampfende Suppe in einen Holznapf. »Ihr könnt froh sein, dass ihr noch rechtzeitig gekommen seid, beinah hätte ich schon das Tor geschlossen.«
    Durch die kleinen Fensterluken blinkten schon die ersten Sterne. Unter dem rußigen Kessel glühten einige Holzscheite. Auf zwei Wandvorsprüngen flackerten Kerzenstumpen und ließen die Schatten an den Wänden tanzen. Marie konnte im Halbdunkel der Herberge einige Pilger erkennen, jeder eine Schale mit Suppe und einen Krug mit Wasser vor sich. Die meisten waren ins Gespräch vertieft.
    »Wir haben aber kein Geld«, sagte Marie und schaute hungrig auf die Suppe.
    »Du bist hier in einem Hospiz«, erwiderte der Mönch, »bei uns bekommt jeder eine Mahlzeit, ein Gebet, ein Nachtlager und, wenn es nottut, eine Salbe für die müdenFüße. Der heilige Jakobus wird es uns im Himmel vergelten.«
    »Au ja«, hörte Marie Jakob aufseufzen, »eine Salbe für meine Füße könnte ich gut gebrauchen.«
    Der Mönch nickte und Marie und Jakob ließen sich auf einer wackeligen Holzbank nieder. Hungrig schlürften sie ihre Suppe. Von draußen drang der Klang der Abendglocke herein.
    »Hast du eigentlich auch einen solchen Pilgerbrief wie dieser Iwein, mit dem du dich ausweisen kannst?«, fragte Marie nachdenklich.
    »O nein!« Jakob schaute ganz erschrocken. »Der muss bei meinem Vater sein. Ich habe nur das Buch.«
    »Was ist denn das nun für ein Buch?« Marie blickte ihn neugierig an. »Ständig machst du so ein Theater deswegen.«
    »Wenn ich dir das Buch zeigen soll, dann musst du schwören, niemandem etwas davon zu erzählen«, sagte Jakob mit vollem Mund. »Schwörst du?«
    Marie nickte gespannt. »Ich schwöre.«
    »Gut.« Jakob beugte sich vor und flüsterte: »Das Buch ist von Moses selbst geschrieben. Vor vielen Tausend Jahren in der Wüste, stell dir vor, auf Baumrinde.«
    Marie schaute noch nicht sehr beeindruckt. Moses, das wusste sie, hatte die Israeliten aus Ägyptenland geführt und vom Himmel die Zehn Gebote diktiert bekommen.
    »Dann ist es die Bibel, die du bei dir hast«, sagte sie ein wenig enttäuscht.
    »Das wäre ja wohl nichts Besonderes«, grunzte Jakob verächtlich, »es ist ein Buch, mit dem man die geheimen Baupläne der Welt erkennen kann!« Er beugte sich ganz nah an Maries Ohr und flüsterte: »In diesem kleinen Buch in meinem Bündel steht geschrieben, wie man den Stein der Weisen aus den Elementen herausdestillieren kann.«
    »Stillieren?«
    »Destillieren, Marie! Destillieren!« Jakob sah sie triumphierend an.
    »Ein weißer Stein?« Marie verstand nichts.
    »Mensch, hast du denn noch nie vom Stein der Weisen gehört?«
    Marie schüttelte den Kopf.
    »Das ist Alchemie!«, erklärte Jakob ungeduldig.
    »Jakob«, sagte Marie kleinlaut, »es tut mir leid, aber ich verstehe nur was von Mühlsteinen, Wäschewaschen und Eiersuchen. Von stillendierenden Chemilistensteinen habe ich noch nie was gehört.«
    Jakob beugte sich zurück. »Natürlich, du kommst ja auch vom Land. Wie konnte ich das vergessen! Also von vorne und ganz langsam, extra für dich. Mein Vater ist nicht nur ein normaler Gelehrter, er ist ein besonders gelehrter Gelehrter der Zunft der Alchemisten. So weit klar?«
    »Wenn du mir jetzt vielleicht noch sagst, was diese Zunft der Alchemisten ist?«
    »Pst, nicht so laut!« Jakob sah sie vorwurfsvoll an.
    »Wieso?«, fragte Marie verwirrt.
    Jakob zog ein in Wachspapier geschlagenes Buch ausseinem Bündel und packte es vorsichtig aus. Die einzelnen Seiten waren aus Birkenrinde geschnitten und sahen sehr zerbrechlich aus. Ehrfürchtig betrachtete er das Buch und schlug es dann langsam auf.
    »Es sind dreimal sieben Seiten«, flüsterte er. »Eine geheimnisvolle magische Zahl, sagt mein Vater. Wenn du mir folgen kannst.«
    Marie konnte einige verschlungene Zeichen und Bilder erkennen.
    »Ich kann nicht lesen«, gestand sie. »Was steht denn da nun? Etwas über diese Zunft der Alchemisten?«
    »Hier steht etwas Besseres«, flüsterte Jakob feierlich, »hier steht, wie aus Quecksilber Gold hergestellt werden kann und wie dann der Stein der Weisen zusammengebraut wird. Stell dir vor, mein Vater hat von diesem Buch geträumt und auch von dem Ort, an dem es zu finden ist. Dann ist er seinem Traum gefolgt und hat das Buch tatsächlich bei einem geheimnisvollen Buchhändler gefunden.«
    »Mit diesem Buch kann man Gold
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