Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sohn des Alchemisten

Der Sohn des Alchemisten

Titel: Der Sohn des Alchemisten
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
greifen, da hörten die beiden eine Stimme hinter sich: »Nicht übel, eure Verpflegung!«
    Die Kinder sprangen auf. Jakob packte das Messer.
    »Na, na, na, wer wird denn gleich zur Waffe greifen!« Aus dem Dunkel der Scheune löste sich eine hagere Gestalt. Die beiden Kinder blickten in ein graues, bärtiges Gesicht. »Auf dem Jakobsweg teilt man, was man hat! He, he, he!«
    »Hoppla«, sagte Jakob erschrocken, während ihm das Messer aus der Hand glitschte und im hohen Gras verschwand.
    »Das sind
unsere
Würste«, rief Marie und stellte sich schützend vor Jakob und ihre Bündel. »Was wollt Ihr von uns?«
    »Immer langsam, Schätzchen«, sagte die hagere Gestalt und humpelte auf sie zu. »Du wirst doch keine Angst vor dem armen Brabanter Iwein haben. Siehst du nicht meinen Stab? Und hier meinen Hut? Dann wirst du erkennen, dass du einen armen Pilger vor dir hast, einen Sünder vor dem Herrn. Und dann wirst du deine Würste geschwisterlich teilen, oder etwa nicht?«
    Marie sah zwar den Stab und auch den Hut, aber sie hatte auch noch etwas anderes gesehen. Das Gesicht des Mannes war gezeichnet. Seine Backen waren unter dem grauen Bart mit tiefen Malen gebrandmarkt und um seinen rechten Fuß lief ein rostiger eiserner Ring. So sahen verurteilte Verbrecher aus.
    Iwein folgte ihrem Blick. »Schlau, schlau, mein Schätzchen. Ja, die Brabanter haben mich verurteilt und gezeichnet, damit ich die Schande meines Vergehens nicht verbergen kann. Aber der Mensch soll niemals nach dem Äußeren urteilen, weißt du das nicht, he?«
    »Komm, lass uns abhauen«, hörte Marie Jakob murmeln, während er verzweifelt das Gras neben sich nach dem Messer abtastete. Erschrocken sprangen einige Grashüpfer um ihn herum, das Messer aber blieb verschwunden.
    »Abhauen?« Der Fremde hatte offenbar gute Ohren. »Barfuß? Ohne Messer? Ohne Würste? Das würde ich mir an eurer Stelle lieber zweimal überlegen. Wohin wollt ihr schon gehen? Pilger wie mich trefft ihr in der nächsten Herberge wieder.«
    »Pilger wie dich!« Jakob schnaubte verächtlich.
» Wir
sind Pilger! Ich komme aus Paris, jawohl! Hast du schon einmal von Nicholas Flamel gehört? Das ist mein Vater, der berühmte Gelehrte!
Wir
sind Pilger. Und wer bitte schön bist du? Ein Gezeichneter!«
    Iwein sah Jakob scharf an. »Meinst du, nur die reichen Gelehrten haben ein Recht, Pilger zu sein? Meinst du das wirklich? Glaubst du nicht, der heilige Jakobus segnet auch alle anderen, die sich zu ihm auf den Weg machen?«
    Jakob schaute nervös von Marie zu dem Fremden und Marie empfand plötzlich Mitleid mit der hageren Gestalt, gezeichnet hin oder her.
    »Seid Ihr denn wirklich ein Pilger?«, fragte sie.
    Iwein trat noch näher an sie heran. »Mir hat der Rat der Stadt Brabant auferlegt, zur Buße nach Santiago zu marschieren, mit der eisernen Schelle dort am Bein. Jeder soll sehen, dass ich auf dem Markt falsche Gewichte verwendet habe. Und ich soll keinen Tag meiner Pilgerfahrt vergessen, dass ich bereuen muss, bis der Rost und mein Schweiß die Schelle sprengen. Und ich bereue auch, jawohl, das tue ich . . .«
    Iwein stand jetzt direkt vor ihnen. Marie sah, wie er sich die Lippen leckte. »Solch feine Würste habe ich mindestensseit den Pyrenäen nicht mehr gesehen, oben in den Bergen.«
    Einen Moment standen sich alle drei abwartend gegenüber.
    In diesem Moment drang das Hufgeklapper mehrerer Reiter an ihre Ohren und hinter der Steinmauer tauchte eine Gruppe reich gekleideter Herrschaften auf, in der Tracht deutscher Bürger.
    »Ruhig, Hans«, rief der Erste, als sein Maultier vor Marie und Jakob scheute, und warf einen scharfen Blick auf die Kinder und den Alten.
    »Was gibt’s, Gerwald?«, rief einer der hinteren Reiter. »Hast du endlich einen Brunnen entdeckt?«
    »Iwo«, brummte der vordere und machte ein grimmiges Gesicht. »Gesindel am Weg.«
    »In der Tat«, rief Jakob und winkte eifrig. »Euch schickt der Himmel. Wir sind Pilger und suchen einen gewissen Nicholas Flamel, der ebenfalls auf dem Weg nach Santiago ist, da hat uns dieser Mann dort aufgehalten   –«
    »Vorsicht!«, hörten die Kinder da einen feisten, in feiner Seide gekleideten Mann halblaut sagen. »Das sind die Tricks der Wegelagerer. Sie verwickeln dich in ein Gespräch und dann heißt es Rübe ab. Treib deinen Gaul an, Gerwald! Wir sind nicht von Straßburg aus losgezogen, um in den spanischen Bergen umzukommen. Da hätte uns zu Hause ja gleich die Pest holen können und wir hätten uns diese
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher