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Der Skorpion von Ipet-Isut

Der Skorpion von Ipet-Isut

Titel: Der Skorpion von Ipet-Isut
Autoren: Anke Napp
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erinnerten ihn ihre Züge an eine stolze Göttin, an eine Adlermutter, die ihr Junges beschirmte. Was würde aus ihr werden? Wenn Amenemhat heil zurück kehrte von seinem Feldzug, würde er ohne Zweifel die Kronen beanspruchen. Kiyas kleine Tochter als Spross des letzten Pharao war eine wertvolle Stütze für einen solchen Anspruch, zu wertvoll, um sie zu missachten… Sehr wahrscheinlich würde Amenemhat sie ehelichen, sobald es irgend möglich war… Und so lange ihre Tochter von solcher Wichtigkeit war, würde auch ihre Mutter leben.
    „Es wird alles gut werden, Kiya“, versprach er nur. „Ich werde darauf acht geben, dass dir und der Kleinen kein Leid geschieht.“
    Sie lächelte. „Ich werde ihr den Namen Sat-Ptah geben, Tochter des Ptah, Erhabener.“
    „Ich bin nicht erhabener als alle anderen Menschen in Kemet“, wehrte Kahotep ab. „Ich bin dein Diener, und der deiner Tochter.“

    Der Todesgestank des Schlachtfeldes hatte nicht Halt gemacht vor dem Zelt, das auf der Anhöhe aufgespannt worden war. Nicht nur der Wind trug ihn herauf, sondern er haftete auch noch an den Männern, die hier saßen. Die knappen Wasservorräte, die dem dezimierten Heer geblieben waren, hatten es unmöglich gemacht, sich gründlich zu säubern. Jeder Tropfen Flüssigkeit war kostbar als Trank! 
    Der Gaufürst von Men-Nefer hob den Blick zu dem Thron, der eigentlich nur aus einem über die Steine gelegten Schild bestand und dem Mann, der auf ihm saß. Amenemhat von Ipet-Isut, von der Schlacht gezeichnet wie sie alle. Der Feldarzt hatte nur die notdürftigste Wundversorgung geleistet, dann war ihm befohlen worden, sich um die schwer Verletzten zu kümmern. Der Regent von Kemet schien der Macht Amun-Ras zu vertrauen vor aller menschlichen Kunstfertigkeit. Und tat er das nicht zu Recht, ging es Smendes durch den Sinn, während ein immer wieder von Husten unterbrochener junger Schreiber begann, den Vertragstext zu verlesen. Hatten nicht die Götter, allen voran Ra in seiner Sonnenbarke, an diesem Tag gezeigt, auf wem ihre Gunst ruhte? Hatten sie nicht mit ihrer Kraft den Feind in die Flucht geschlagen, als an einen Sieg nicht mehr zu denken gewesen war? Hatten sie nicht die Kinder Kemets beschirmt und allen voran den Mann, der sie heute geführt hatte? Auf seinem Weg zu dieser Anhöhe zwischen den schützenden Felsflanken hatten Smendes und seine Begleiter die Worte immer wieder wispern gehört unter den Soldaten: dass die Kraft Amun-Ras sich auf den Ersten Gottesdiener herab gesenkt habe, dass der Götterfürst selbst an seiner Seite gestanden habe... Amenemhat war nicht nur Erster Gottesdiener Amuns, er war ein Auserwählter des Gottes!
    Der Gaufürst beglückwünschte sich zum wiederholten Male zu seiner Entscheidung, nicht wie ursprünglich geplant ganz einfach abgewartet zu haben, bis Amenemhat die Libyer in die Flucht geschlagen hatte, sondern aktiv einzugreifen. Der Hohepriester des Ptah von Men-Nefer hatte gemeint, dieser Entschluss führe ihn auf den Weg des Verderbens. Aber so wie es aussah, führte er ihn auf den einzigen Weg der Rettung! Für sein persönliches Leben, für seinen Besitz und für seine Macht. Smendes blinzelte, um seinen müden, brennenden Augen etwas Erleichterung zu verschaffen und verlagerte unauffällig sein Gewicht auf das linke Knie. Die Stimme des Schreibers klang zittrig zu ihm und wurde dem Inhalt seiner Worte nicht gerecht:
    „...verpflichte ich mich, Smendes, Gaufürst von Men-Nefer, und in meinem Namen meine Kinder, Enkel und alle, die mir nachfolgen werden in diesem Amt, fest zu stehen in der Treue zum Herrn der beiden Länder und dem Horusthron in Waset. Verrat soll nie das Band der Eintracht zwischen uns beflecken – andernfalls soll die Strafe des Ewigen Vergessens mich treffen und mein Ka heimatlos durch die Nacht wandeln…“
    Ja, in der Tat, es stand nicht schlecht für Men-Nefer und ihn selbst. Solange er die Treue hielt und die schuldigen Tribute an Ober-Kemet zahlte, durfte er sich relativ unbeschränkter Befugnisse im Delta erfreuen. Quasi ein Vizekönig unter dem Szepter von Waset! Wäre das Schicksal ebenso gnädig mit ihm umgegangen, hätte er die unheilvolle Allianz mit den Libyern nicht rechtzeitig gelöst? Smendes hütete sich, genauer darüber nachzudenken, während er den Details des aufgesetzten Vertrages lauschte.
    Der Regent seinerseits versprach offene Handelswege hinunter nach Nubien, militärische Unterstützung im Falle von unbotmäßigen anderen Amtsträgern
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