Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sklave von Midkemia

Der Sklave von Midkemia

Titel: Der Sklave von Midkemia
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
versuchten, ihre Stimmen zu verschleiern, gelangten ihre Worte bis in die höchsten Galerien. Kevin lauschte verwundert, als der Lord der Chekowara seine volle Stimme hob und senkte, während er den Tod der Edlen des Clans betrauerte. »Dieser Pfau auf dem Podest besitzt die Aufrichtigkeit einer Relli«, meinte er zu Lujan.
    Der Kommandeur der Acoma blieb nach außen völlig ruhig und schien nicht einen einzigen Muskel zu bewegen, doch die tiefen Lachfalten um seine Augen verrieten, daß er ein Grinsen unterdrückte.
    Kevin gab die Hoffnung auf, daß er von einem der Acoma-Krieger irgend etwas erfahren würde, und machte sich zwischen den Sänftenträgern zu schaffen. Tsuranische Sklaven waren nicht unbedingt eine Verbesserung, doch wenigstens bemerkten sie es, wenn er sprach, auch wenn sie nur mit verwirrten Blicken reagierten. Dennoch dachte Kevin, daß jede Reaktion besser war als der steinerne Anblick der Soldaten. Kevin vertrödelte die Minuten und beobachtete das Kommen und Gehen der vielen Bediensteten und Gefolgsleute der hier versammelten Lords, als ein seltsames Verhalten seine Aufmerksamkeit erregte. Niemand von denen, die durch die riesige Halle eilten, schien die vielen Bilder an der Wand zu bemerken – bis auf eines, ein Abbild eines eher unscheinbaren Mannes. Es war uralt wie die anderen, aber wohl erst kürzlich ausgebessert worden, und zwar aus dem offensichtlichen Grund, weil alle, die daran vorbeigingen, die Hand ausstreckten und es berührten. Kevin stupste den Sklaven neben sich an. »Warum tun sie das?«
    Dem Sklaven war die Frage sichtlich unangenehm. »Warum tun sie was?« flüsterte er zurück, als würde dem Sprechen die sofortige Vernichtung nachfolgen.
    »Warum berühren sie das Bild dieses Mannes?« Kevin deutete darauf.
    »Das ist ein alter Lord. Er war der erste Gute Diener des Kaiserreiches. Es bedeutet Glück, ihn zu berühren.« Der Sklave verstummte, als hätte dieser rätselhafte Hinweis alles erklärt. Kevin stand kurz davor, ihn weiter auszufragen, doch Lujan brachte ihn mit einem warnenden Blick zum Schweigen, und so betrachtete er still das weitere Geschehen.
    Soweit er erkennen konnte, fand keine ernsthafte politische Diskussion statt. Als schließlich die Verkündung familiärer Ereignisse beendet war, brachten Sklaven Erfrischungen, und dieser oder jener Lord erhob sich von seinem Stuhl und sprach mit dem Lord der Chekowara oder einem anderen Mitglied des Clans. Viele scharten sich um Maras Stuhl, und alle schienen zuvorkommend, wenn nicht gar freundlich. Kevin wartete auf einen zweiten Aufruf um Ruhe, auf irgendeine Ankündigung der wichtigen Unterredungen, doch nichts dergleichen geschah. Als das Nachmittagslicht über dem Kuppelsaal verschwand, hob der Lord der Chekowara seinen Amtsstab und ließ ihn mit einem donnernden Geräusch auf das Podest niederfahren. »Die Versammlung des Clans Hadama ist beendet«, rief er, und ein Lord nach dem anderen verabschiedete sich mit einer Verbeugung und ging, wieder entsprechend der Rangordnung.
    »Das Ganze kommt mir vor wie ein absurdes Spiel«, meinte Kevin.
    Ein Soldat in Maras Ehrengarde sah ihn streng an und brachte ihn zum Schweigen. Kevin antwortete darauf mit seinem üblichen frechen Grinsen, doch dann fuhr er jäh zusammen: Der Krieger war Arakasi. Kr trug eine Rüstung und sah ganz wie ein normaler Krieger aus. Sein militärisches Verhalten war so tadellos, daß Kevin seine Gegenwart bis jetzt übersehen hatte. Jetzt war er noch neugieriger als zuvor, was wohl die Anwesenheit des Supai erfordert haben mochte, und er trat unruhig von einem Bein aufs andere, bis Mara ihn zu sich winkte und sich das Tuch wieder um die Schultern legen ließ.

    Kevin ging hinter Maras Sänfte, als die Gefolgschaft wieder auf die im Dämmerlicht liegenden Straßen trat. Lampenanzünder hatten gerade die Runde gemacht, und das kaiserliche Viertel Kentosanis glühte in sanftem Gold gegen den dunkler werdenden Himmel. Als die Ehrengarde sich zur Eskorte aufstellte, um Mara zu ihrem Stadthaus zu geleiten, trat Arakasi neben Kevin. Klug genug, den Supai nicht beim Namen zu nennen, meinte der Midkemier nur: »Ist da drinnen etwas Wichtiges geschehen?«
    Arakasi marschierte mit einer Hand an der Waffe, dem äußeren Schein nach ein durchaus fähiger Krieger, obwohl es kein Geheimnis war, daß er im Umgang mit der Klinge nicht gerade begnadet war. »Vieles.«
    Die Kürze seiner Antwort brachte Kevin zur Verzweiflung. »Und das wäre?«
    Die Ehrengarde
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher