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Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)

Titel: Der Sieger von Sotschi: Ein olympischer Roman (German Edition)
Autoren: Roland Brodbeck
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hielten, schneller vorbeihuschten als im Training, aber ganz sicher war er sich nicht. In diesem mehr oder weniger geraden Abschnitt musste man die Ideallinie auf den Zentimeter genau halten, sich dabei möglichst klein machen und auf gutes Material hoffen – insbesondere dann, wenn man wie Fabian zu den leichtesten im Feld der Rennläufer gehörte.
    Das Gleiterstück dauerte ziemlich lange und seine Oberschenkel wurden mehr und mehr gefordert. Er versuchte, sich mit dem Gedanken an seine Konditionswerte aufzubauen; die waren nämlich nicht schlechter als bei den anderen, also brauchte er nicht an Kraft zu sparen.
    Abrupt endete das eher flache Pistenstück. Der Sprung in die alte Schneise geriet Fabian unheimlich weit, aber anders als beim Training zwang er sich, wieder kompakt zu landen, und flitzte eng am nächsten Tor vorbei. Jetzt kam der berauschende Speed zurück, nach dem er süchtig war, wie er sich eingestehen musste. Im nächsten Sprung hätte er nach der Fernsehkamera an einem Kran beinahe greifen können, so dicht flog er unter ihr hindurch. Jetzt zog die Piste nach links und war extrem eisig – da durfte man auf keinen Fall seitlich wegrutschen, sonst wäre die Geschwindigkeit dahin. So ganz gelang ihm das nicht, aber doch immerhin besser als im Training – hoffte er zumindest. Nach dem Lärchenschuss folgte wieder ein ewig langer Rechtsschwung; das Brennen in den Oberschenkeln wurde zunehmend unangenehm. Beim Oberhausberg führte die Strecke sogar ein klein wenig aufwärts, aber Fabian fühlte die Gegensteigung kaum.
    Sein Satz über die Hausbergkante – den berühmtesten Sprung der Streif – führte geradewegs auf Kitzbühel zu: Selbst Skifliegen kann nicht schöner sein, dachte er sich. Dieses berauschende Gefühl trug ihn durch die folgende Kompression und die nächste Linkskurve; nun konnte er den Zielraum mit den zehntausenden Zuschauern sehen. Üblicherweise nahm Ulrichen hier den Sprung in die Traverse nicht allzu direkt, erinnerte er sich an Videostudien, und Saubauer hatte ja gesagt, er solle fahren wie der Teufel. Das funktionierte zwar, aber er geriet beim kleinen Sprung in die Traverse beinahe in Rücklage. Sein Puls hämmerte, als er einen Moment lang unkontrolliert über der Piste flog. Den Sturz zu vermeiden, erforderte all seine Kondition und Akrobatikfähigkeiten – und außerdem bestimmt das Eingreifen seines Schutzengels –, damit das Rennen für ihn weiterging.
    Etwa in der Mitte der Piste landete er in der eisigen, schrägen Traverse. Die Linie war besser, als er es sich nach dem Beinahe-Sturz hatte erhoffen können. Vielleicht würde es doch für einen Rang reichen, den ihm Saubauer nicht zutrauen und der Florian beeindrucken würde, hoffte er. Sein Körper schmerzte überall; die Übersäuerung der Muskeln drohte. Die unglaubliche Schräge der vereisten Traverse forderte die Kanten seiner Ski, doch sein Onkel und Materialexperte Klaus hatte bei deren Schleifen ganze Arbeit geleistet. Schon folgte der Kurswechsel nach rechts mit leichtem Sprung in den Zielhang. Nun musste er in der Hocke im Sturzflug auf Kitzbühel zurasen – einen Steilhang hinab, den sich Touristen nicht einmal zu Fuß hinuntertrauten. Unten wimmelten Zehntausende auf den Tribünen und an der Strecke; die Stimmung war ausgezeichnet, sie riefen „Fabian, Fabian!“ Die Treicheln – die schweren Schweizer Kuhglocken – begannen zu dröhnen und Fahnen mit weißen Kreuzen auf rotem Grund wurden überall geschwenkt.
    Ein paar Wellen schlugen ziemlich hart; für einen Geschwindigkeits-Junkie wie ihn war das aber trotzdem ein sagenhafter Trip. Den berüchtigten Sprung vor dem Ziel nahm er in der Hocke; die Trägheit würde ihn hoffentlich auf Kurs halten, dachte er. Gewicht nach vorn verlagern, und schon könnte er in der Tat tot durchs Ziel sausen! Bei der Landung musste er den brennenden Oberschenkeln das Letzte abverlangen. Plötzlich, als ob ihm einer ein Messer in die rechte Kniekehle gerammt hätte, schmerzte das Bein. Ein Wadenkrampf! Ziellinie – und bremsen! Aber wie? Das Bein schien in Flammen zu stehen. Er ließ sich fallen und versuchte Ski voran einigermaßen Geschwindigkeit wegzunehmen. Die Tribünen am Pistenende kamen immer näher. Für einen Moment verschwand er in einer Staubwolke, bis er unsanft, aber nicht mehr gefährlich an einem mit einer Werbeplane abgedeckten Strohballen zum Stehen kam.
    Er sah Justin, der ein paar Meter entfernt beim Durchgang zum Betreuerbereich stehen, riss den
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