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Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Der Sieger bleibt allein (German Edition)

Titel: Der Sieger bleibt allein (German Edition)
Autoren: Paulo Coelho
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gehen in den Saal im oberen Stockwerk. Die Botschaft für Ewa ist offensichtlich angekommen und abgelehnt worden; aber er weiß jetzt, was er von einer so verdorbenen Person wie seiner Exfrau erwarten kann. Der Engel mit den dichten Augenbrauen steht ihm weiterhin unsichtbar zur Seite, er war es gewesen, der ihn, als alle Blicke sich auf den Auftritt des berühmten Couturiers richteten, sich im richtigen Augenblick nach dem Polizisten in Zivil hatte umdrehen lassen.
    »Gut, gehen wir hinein!«
    Sie steigen die Treppe hinauf und betreten den Saal. Als sie hineingehen, bittet er sie höflich, seinen Arm loszulassen, weil seine Freunde ihre Geste sonst falsch interpretieren könnten.
    »Sind Sie verheiratet?«
    »Geschieden.«
     
    Ja, denkt Ewa, ihr Gefühl hat sie nicht getäuscht. Die Probleme, die der Abend bereits gebracht hat, sind nichts gegen das, was ihr noch bevorsteht. Beruflich hat ihr Exmann, der mit einer jungen Frau auf sie zukommt, nichts auf einem Filmfestival zu suchen. Es gibt nur einen Grund, weshalb er hier ist.
    »Igor!«, ruft Hamid überrascht.
    Ewas Herz rast.
    »Was soll das?«, zischt sie Hamid zu.
    Doch er ist bereits vom Tisch aufgestanden. Nein, er weiß wirklich nicht, was er da tut. Er geht auf das absolute, grenzenlose Böse zu, das zu allem, wirklich allem, fähig ist. Er nimmt an, einen Erwachsenen vor sich zu haben, dem er sich mit körperlicher Kraft oder logischen Argumenten stellen kann. Er kann nicht wissen, dass das Absolute Böse das Herz eines Kindes hat, verantwortungslos handelt und immer im Recht zu sein glaubt. Und wenn dieses Kind nicht bekommt, was es will, hält nichts es davon ab, alles nur Erdenkliche anzustellen, um seine Wünsche befriedigt zu sehen. Ewa wird schlagartig klar, wie der Engel sich so schnell in einen Teufel hatte verwandeln können: weil er Rache und Groll in seinem Herzen bewahrt hat, obwohl er behauptete, erwachsen geworden zu sein und seine Traumata überwunden zu haben; weil er unschlagbar ist, wenn es im Leben ums Siegen geht, und sich deshalb für allmächtig hält; weil er nicht verlieren kann; weil er die schlimmsten Qualen überlebt und diese ihn stark gemacht haben, und weil er seither nur an eines denkt: ›Eines Tages komme ich zurück, und dann werdet ihr sehen, wozu ich fähig bin.‹
    »Offensichtlich ist da jemand gekommen, der noch wichtiger ist als wir«, stichelt eine Ex-Miss-Europa, die mit dem Gastgeber und anderen Berühmtheiten ebenfalls am Ehrentisch sitzt.
    Ewa versucht, die peinliche Situation zu überspielen. Den Gastgeber scheint die Szene eher zu amüsieren. Er wartet darauf, wie Ewa reagieren wird.
    »Entschuldigen Sie bitte! Ein alter Freund von mir...«
    Hamid geht auf Igor zu, der plötzlich zögert. Das Mädchen, das ihn begleitet, ruft:
    »Ja, hier bin ich Monsieur Hussein! Ich bin die Hauptdarstellerin in Ihrem Film.«
    Die Leute an den anderen Tischen drehen sich um, wollen wissen, was da los ist. Der Gastgeber lächelt – es ist immer gut, wenn etwas Außergewöhnliches passiert, so haben die Gäste anschließend viel Gesprächsstoff. Hamid ist derweil vor dem Mann stehengeblieben; der Gastgeber merkt, dass etwas nicht stimmt, und wendet sich an Ewa.
    »Ich glaube, es ist besser, Sie holen ihn zurück. Oder wenn Sie wollen, können wir einen Stuhl für Ihren Freund dazustellen, seine Begleitung müsste allerdings an einem anderen Tisch Platz nehmen.«
    Die Gäste wenden sich wieder ihren Gesprächen über Jachten, Privatjets, Börsenkurse zu. Nur der Gastgeber verfolgt aufmerksam das Geschehen.
    »Gehen Sie zu ihm!« Er lässt nicht locker.
    Doch Ewa ist in Gedanken Tausende Kilometer weit weg, in einem Restaurant in Irkutsk in der Nähe des Baikalsees. Die Szene war damals anders gewesen: Igor hatte den Mann hinausgeführt.
    Es kostet sie ungeheure Überwindung, aufzustehen, aber sie tut es und geht zu den beiden.
    »Geh an den Tisch zurück!«, befiehlt Hamid leise. »Wir beide werden hinausgehen und miteinander reden.«
    Das ist das Unsinnigste, was er in diesem Augenblick tun kann. Sie packt ihn am Arm, tut so, als würde sie lachen und sich freuen, weil sie jemanden trifft, den sie lange nicht gesehen hat, und sagt mit der ruhigsten Stimme der Welt.
    »Aber das Abendessen wird gleich serviert.«
    Sie vermeidet es, ›mein Schatz‹, zu sagen. Sie will nicht die Tore zur Hölle aufstoßen.
    »Sie hat recht. Am besten reden wir gleich hier.«
    Hat Igor das gesagt? Hat sie sich etwa alles nur eingebildet und aus
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