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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman
Autoren: Andrea Schacht
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mein Vater heute Nacht bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.«
    Es war gesagt, und damit war es Wirklichkeit. Ulla legte den Arm um mich und drückte mich kurz an sich. Aber für Tränen war noch keine Zeit. Es gab etliche Dinge zu erledigen.
    »Tut mir Leid«, sagte ich zu ihr und machte mich frei. »Ich kann nicht mit euch kommen. Ich muss einen Flug nach Deutschland finden.«
    »Das kriegen wir schon hin. Setz dich erst mal, du bist weiß wie die Wand.«

    Sie führte mich zu einem freien Platz und nahm mir den schweren Rucksack ab.
    »Es ist so unglaublich, Ulla«, seufzte ich, während ich mich hinsetzte.
    »Das ist es wohl immer, nicht wahr? Hast du ihm nahe gestanden?«
    »Ja, irgendwie - ja. Doch.«
    »Ach Liebchen, du bist völlig durch den Wind. Komm, gib mir dein Ticket. Ich kümmere mich um die Umbuchung. Wohin willst du fliegen?«
    »Köln-Bonn, wenn es geht. Danke, Ulla.«
    Ich sah der molligen Frau nach, mit Anfang vierzig die Älteste in unserem Team. Sie kümmerte sich meistens um die Kinderbetreuung und brachte den sportlichen Aktionen nur geringes Interesse entgegen. Ich mochte sie sehr. Dann aber wanderten meine Gedanken zu meinem Vater, Julian Kaiser, der Welt besser bekannt als Caesar King, einer der bekanntesten Schlagersänger der Siebziger- und frühen Achtzigerjahre. In der letzten Zeit allerdings hatte er kaum noch Erfolg, wenn auch manche Fans in nostalgischem Eifer seine seltenen Konzerte besuchten. Angeblich wollte er gestern Abend seinen Agenten aufsuchen, um ein neues Engagement zu besprechen, war aber zu seinem Termin nicht erschienen. Was meine Mutter Uschi zu der wirren Annahme verleitet hatte, dass er stattdessen seine heimliche Geliebte aufgesucht haben müsse. Auf dem Rückweg von ihr sei er dann verunglückt. Es erschien mir ziemlich unglaubwürdig, aber bevor ich nicht mehr als nur die krausen Informationsfetzen kannte, die meine Mutter mir eben mitgeteilt hatte, wollte ich mir darüber keine Gedanken machen. Dass er tot war, war schlimm genug.
    »Hier, ich hab’ einen Flug für morgen früh um sechs.
Vorher geht keine Maschine. Aber du kannst im Flughafenhotel übernachten, das ist mit drin.«
    Ulla reichte mir die Papiere, und ich schenkte ihr ein dankbares und ein bisschen trauriges Lächeln. Der Flug nach Rom wurde aufgerufen, und mit einer Umarmung verabschiedete ich mich von meiner Freundin.
    »Ich erkläre es den anderen, keine Sorge. Wir sehen uns bestimmt wieder, Anita. Wir bleiben im Kontakt, ja?«
    »Ja, Ulla. Mach es gut. Und noch mal danke. Ich kann jetzt mit den anderen nicht darüber sprechen.«
    »Schon gut, Liebchen.«
    Ich sah der kleinen Gruppe nach, die sich jetzt zum Ausgang wendete. Roxane sah sich noch einmal nach mir um, um mir einen erstaunten und - wie üblich - leicht giftigen Blick zu spendieren. Ich nahm meinen Rucksack und suchte auf den Hinweisschildern nach dem Weg zum Hotel. Es war nicht schwer zu finden, und kurz darauf stand ich vor dem Eingang. Eine ruhige Nacht würde es wohl nicht werden, die Start- und Landebahnen lagen in unmittelbarer Nähe. Aber ich erwartete auch keine ruhige Nacht, zu viel ging mir im Kopf herum.
    Die Maschine nach Rom donnerte heran und hob ab. Es gab einen ungeheuren Knall, und sie löste sich in einem Feuerball auf. Ich wurde gegen die Mauer geschleudert, merkte fassungslos, wie ich zusammensank. Wie in unendlicher Verzögerung sah ich aus den grellen Flammen ein glühendes Stück Metall auf mich zufliegen. Doch bevor es mich an der Schläfe traf, vermeinte ich eine Stimme zu hören, die zu mir sagte: »Diesmal nicht!«
    Die Schwärze senkte sich über mich, aber noch vor dem endgültigen Auslöschen meines Bewusstseins zogen in schneller Folge drei ebenso erschreckende Szenen
vor meinem inneren Auge vorbei - ein Dorf in Flammen, ein loderndes Lagerhaus und das Auseinanderbersten eines festgemauerten Militärgebäudes.
    Das allerletzte Bild aber war ein unendlich vertrautes Gesicht, das sich über mich beugte.
     
    Ich lag irgendwo, halb wachend, halb schlafend und träumte vor mich hin, anscheinend frei von allen irdischen Bindungen. Es war nicht unangenehm. Manchmal fühlte ich mich schwerelos, wie im Wasser liegend, das mich sanft wiegte. Um mich herum schien alles verschwommen und unscharf, wie in Nebel gehüllt. Hin und wieder waren da Stimmen, aber meistens schien es nur ein fernes Rauschen zu geben. Einmal wurde es durchbrochen von einem pulsierenden Trommeln, das sich näherte, lauter wurde. Für
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