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Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten

Titel: Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten
Autoren: Garth Nix
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durchschneiden, doch hier in Aenir war Odris kein Schatten.
    „Das kann ich nicht“, sagte Odris betreten. „Wir sind jetzt bis ans Ende unserer Tage aneinander gebunden. Ich werde mit dir zu deinem…“
    „Nein! Nein! Nein!“, schrie Milla und hackte weiter auf Odris ein. Doch ihre wilden Hiebe ermüdeten sie nur. Odris nahm sie ohne die geringste Reaktion hin. Adras beobachtete Tal nur. Wie eine gewaltige Statue aus Wolken ragte er neben dem Erwählten auf.
    Schließlich wich Milla zurück und holte ein paar Mal tief Luft. Sie wandte eine Rovkir-Atemmethode an, um gegen ihre grenzenlose Wut anzugehen.
    „Du wirst dich schon daran gewöhnen“, meinte Odris.
    „Nein, das werde ich nicht“, erklärte Milla. „Ich werde mich selbst dem Eis überlassen.“
    „In Aenir gibt es nicht besonders viel Eis“, sagte Odris. „Wahrscheinlich überhaupt keines. Das ist ein heißer Ort, auf dem ganzen…“
    „Ich werde zur Dunkelwelt zurückkehren“, stellte Milla kühl fest. „Ich werde die Enklave der Erwählten finden und einen von ihnen dazu zwingen, mir den Rückweg zu erklären. Dann werde ich mich dem Eis überlassen.“
    „Weshalb?“, wollte Odris wissen.
    Milla starrte einen Moment ins Nichts und antwortete dann: „Ohne meinen Schatten kann ich kein Eiscarl sein. Ohne meinen Schatten kann ich keine Schildjungfrau sein. Ohne meinen Schatten bin ich gar niemand.“
    „Aber ich werde doch dein Schatten sein, wenn wir…“, begann Odris. Doch bevor sie fortfahren konnte, drehte Milla sich um und lief in die sternenbeleuchtete Dunkelheit hinein.
    Odris seufzte. Es war ein tiefer Seufzer, der eine Wolke aus Asche aufwirbelte, die auf Adras herabregnete. Er brummte und plusterte sich ein paar Mal auf, um die Asche abzuschütteln.
    „Ich muss ihr folgen“, sagte Odris. Sie klang ein wenig überrascht. „Es ist ein seltsames Gefühl, an eine Person anstatt einen Ort gebunden zu sein.“
    „Ja, das finde ich auch“, stimmte Adras ihr zu. „Ich hoffe, dass meiner bald aufwacht.“
    „Ich werde versuchen, meine zurückzuholen“, sagte Odris. „Vergiss nicht, dem Wind immer zu sagen, wo du bist, Adras, damit ich dich finden kann. Und gehe nicht in die Dunkelwelt hinüber ohne mich.“
    „Ich werde… werde nicht“, gab Adras zurück. „Ich meine, ich werde dem Wind sagen, wo ich bin, und ich werde nicht ohne dich hinübergehen.“
    Die beiden Sturmhirten streckten langsam die Arme aus, um ihre Handflächen aufeinander zu legen. Dann machte Odris einen Satz in den Himmel. Sie zog den Wind hinter sich her und folgte Milla.
    Adras setzte sich hin und beobachtete Tal. Irgendwie spürte er, dass dem Jungen nichts Ernstes fehlte. Er schien einfach zu schlafen.
    Es ist ein seltsames Gefühl, an eine Person gebunden zu sein, dachte Adras, als er spürte, wie sein eigener Atem im gleichen Takt wie Tals ging. Er merkte, wie seine Wolkenaugen langsam zufielen. Sturmhirten schliefen sehr selten, doch gerade jetzt war ihm danach.
    Als sich seine Augen schlossen, verlor sein Körper die Form. Arme und Beine zerflossen und liefen ineinander. Die dunkle, bedrohliche Wolke in seinem Zentrum nahm eine flauschige weiße Färbung an.
    Innerhalb weniger Minuten wurde Adras eine runde Masse aus tiefliegenden Wolken, die über dem schlafenden Tal schwebten.
    Aus der Dunkelheit spähten drei Kreaturen nach dem Jungen und fragten sich, wie er wohl schmecken würde. Zungen zuckten ungeduldig heraus und prüften die Luft. Es war ein bitterer Geschmack darin. Etwas, das mit der Wolke zu tun hatte und Gefahr bedeutete.
    Die Kreaturen zögerten. Vielleicht war der schlafende Erwählte kein so leichtes Opfer, wie sie es sich erhofft hatten. Ihre Zungen berührten sich und tauschten dabei Informationen aus. Gemeinsam würden sie entscheiden, ob sie angreifen sollten… oder nicht.

 
KAPITEL FÜNF
     
     
     
    Milla lief durch die Dunkelheit. Doch es war nicht die Dunkelheit, die sie kannte. Am Himmel standen winzige Lichter. Sterne, wie Tal sie nannte. Unbekannte Gerüche hingen in der Luft. Eigenartige Geräusche waren zu hören, die Rufe von Kreaturen, die sie nicht kannte.
    Sie wusste nicht einmal, in welche Richtung sie überhaupt lief. Das war für sie eine neue Erfahrung. Auf dem Eis hatte sie sich noch nie verlaufen, keine einzige Sekunde. Es gab immer einen Geruch, ein Geräusch, ein Muster auf dem Eis, die Windrichtung oder die Spur der Selski-Herde.
    Es gab immer irgendetwas. Doch hier war nichts, anhand dessen sie
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