Der Serienmörder von Paris (German Edition)
„Geschäftspartner“, entschied sich dafür, der Information auf den Grund zu gehen.
Er entsandte drei britische Männer, die für die Bande seit ihrer Desertion arbeiteten. Sie sollten sich als abgeschossene Royal-Air-Force-Piloten ausgeben, mit der Absicht, nach Spanien zu fliehen. Nach einigen Schwierigkeiten empfing Dr. Eugène mit vorhergehender Hilfe von Eryane Kahan, die das Treffen einfädelte, die Flieger und hörte sich ihre Bitte an. Dabei verdoppelte er den ursprünglich genannten Preis und verlangte nun 50.000 Francs pro Person. Beim nächsten Treffen, das wiederum Kahan arrangierte, schickte Bonny ein Team, um die Piloten zu beschatten. Zwangsläufig führte Dr. Eugène die Gauner in die Rue Le Sueur.
Die Männer überwältigten den Arzt, warfen ihn zu Boden und ließen an seinen Gelenken Handschellen zuschnappen. Exakt zu dem Zeitpunkt trafen Paul Clavié und ein Kumpan namens Pierre Loutrel (der berüchtigte Ganove wurde in den folgenden Jahren unter dem Namen „Pierrot-le-Fou“ bekannt) ein. Beide fuchtelten mit Revolvern in der Luft herum. Clavié fühlte sich wie vor dem Kopf gestoßen. Der Arzt der Unterwelt, Dr. Eugéne, war kein anderer als sein Freund Marcel Petiot. Man ließ ihn unverzüglich frei. Als sich die Anspannung legte, lud Petiot die Männer zu einem Umtrunk ein. Bevor er das Haus verließ, wollte sich Bonny in dem weiträumigen Gebäude umschauen. Diesmal stand ihm ein Schock der besonderen Art bevor. Er sah Glasgefäße mit Genitalien in Formaldehyd eingelegt und zwei teilweise zerstückelte Leichen im Keller. Als Lafont von der „Metzgerarbeit“ hörte, wurde ihm schnell klar, dass er das Skalpell des Doktors und die Bereitwilligkeit, es „wie ein Berserker zu schwingen“, für seine Zwecke einsetzen konnte.
Nicht nur konnte Lafont einen Teil des Profits der Fluchthilfeorganisation einstreichen, sondern seinen Einflussbereich immens ausweiten. Wenn ein Mitglied der Bande einen Vertrauensbruch beging, der nicht mit der Zahlung einer Strafe in Höhe von 1.000 bis 10.000 Francs wiedergutgemacht werden konnte, wurde ihm schnell bewusst, dass er – um sich Lafonts Rache zu entziehen – „Jo, dem Boxer“, „Adrien, dem Basken“ und ihren Kumpanen auf dem Weg aus dem besetzten Paris folgen musste. Die Reise endete dann in Petiots Haus. Falls Lafont kein Exempel an dem Missetäter statuieren wollte, schenkte er ihm das Leben, riet ihm aber, das Land so schnell wie möglich zu verlassen. Auch diese Reise endete in Petiots Haus. So gewann Lafont in mehrerlei Hinsicht. Er bestrafte Unregelmäßigkeiten, die die Disziplin unterminierten, und verdiente gleichzeitig an Petiots „Geschäft“. Bedenkt man die Wertgegenstände, die einige Kriminelle bei sich führten, so konnte ein Gewinn für Lafont erheblich sein.
Tatsächlich lässt sich der Höhepunkt von Petiots Mordserie auf diese Zeit terminieren, also vom Sommer 1942 bis zu der Verhaftung im Mai 1943. Damals begutachtete Dr. Paul die ersten zerstückelten Körperteile mit den charakteristischen Skalpell-Malen, die man aus Koffern aus der Seine zog oder in Päckchen innerhalb des Stadtgebiets fand. Nach diesem Sommer versuchte zudem jeder mit Lafont in Verbindung stehende fluchtwillige Verbrecher mit Hilfe von Petiots Organisation den Fängen des ehemaligen Chefs zu entkommen. Bedenkt man Lafonts Macht und seine exakte Kenntnis der kriminellen Halbwelt, dann ist es so gut wie unwahrscheinlich, dass eine Organisation mit solchen Ambitionen ohne sein Wissen hätte florieren können.
Die Befreiung beendete für Lafont und die Bande das goldene Zeitalter des Verbrechens. Die französische Gestapo löste sich auf und flüchtete in alle Himmelsrichtungen – Spanien, Südamerika, Quebec, Kuba, manchmal in den Untergrund oder in die Résistance. Nachdem er seinen Männern falsche Papiere ausgehändigt und daraufhin bestanden hatte, dass alle Akten vernichtet werden, floh Lafont zu einem kleinen Anwesen, etwas über 70 Kilometer von Paris entfernt, außerhalb von Bazoches. Joseph Joinovici verriet ihn, woraufhin Lafont, Bonny und Paul Clavié am 30. August 1944 verhaftet wurden.
Einer von Claviés Briefen aus seiner Zelle Nummer 120 am Quai de l’Horloge wurde von den Beamten abgefangen. Er war an einen nicht bekannten Empfänger gerichtet. Clavié wartete auf sein Verfahren wegen Hochverrats und drängte darauf, einen gewissen „Dr. P“ festzunehmen. Clavié beschrieb die Zusammenarbeit seit 1938 und meinte, der Arzt habe
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