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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig
Autoren: Katja Hirschel
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und Beratung. Kinder sind da eine ganz andere Baustelle. Da braucht man gute Nerven und pädagogisches Gespür. Auch ein bisschen Diplomatie ist da sehr wichtig, wenn man mit den Eltern verhandeln muss. Ich weiß nicht, ob die Heidi das kann? Sie ist manchmal etwas zu …«
    Achtung! Die Wortwahl sollte jetzt gut überlegt sein! Die Freundin war verzweifelt und da musste sie ihr soeben gerühmtes einfühlsames Geschick einsetzen, um sie nicht noch mehr zu verletzen.
    »Also, lass uns doch mal überlegen, was dem Mädel so liegt. Sie mag Mode, Schmuck, Styling und so. Hm, habt ihr es mal im Frisörsalon ›Röderdich‹ versucht oder im Nagelstudio bei der Melanie?«
    Das Schluchzen wurde heftiger und Erika verstand, dass diese potentiellen Arbeitgeber bereits auf der Liste abgehakt waren. Tja, und dann hatte sie sich überreden lassen. Seitdem verging kein Tag, an dem sie sich nicht über Heidi ärgern musste.
    »Grüßt euch! Hier kommen die Nachzügler!«
    Sybille und Wolfgang waren endlich da, mit einer verheulten Jennifer und einem feixenden Kevin im Schlepptau.
    »Na, das ist ja schön«, mit einem eisigen Blick taxierte sie Sybille. Wie konnte der Bäcker Möller es wagen, Heidi als Flittchen zu bezeichnen, wenn Sybille, seine eigene Tochter, um keinen Deut besser war! Wie die immer angezogen war. Knapper Mini, bauchfreies Oberteil und viel zu viel Make-up. Wolfgang machte auch schon wieder Stielaugen.
    »Dann können wir also endlich losgehen. Ich hoffe, Jenny und Kevin haben schon gefrühstückt!«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ Erika ihre beste Kommandostimme ertönen und die Gruppe formierte sich widerspruchslos.
    »Die ist heute aber nicht so gut drauf!«, flüsterte Sybille Wolfgang ins Ohr.
    »Keine Sorge, sie beißt normalerweise nicht! Bei Erika sind das wohl die Wechseljahre. In zwei Minuten ist sie wieder die Alte.«
    »Ruhe jetzt!«, die zwei Minuten waren offensichtlich noch nicht um, »Anni, du bleibst mit den Mädels hier und ihr sammelt Tannenzapfen. Wolfgang, du kommst mit mir und den Buben und Heidi kümmert sich um den Abwasch!«
    »Mir ham da nur a kloans Problem.«
    Anni, eine Fünfjährige an der Hand, mit der sie gerade von der Toilette kam, trat in den Kreis. »Die Heidi is no net do!«

6
    »Und hier is der Kopierer.«
    Claudia Hubschmied gab sich wirklich die größte Mühe. Nicht nur, dass sie seit einer Stunde den Gast aus dem hohen Norden durch alle Räume des kleinen Polizeigebäudes geführt hatte, sie bemühte sich auch noch wacker, »Schriftdeutsch« zu sprechen. Das war leider so ungewohnt für sie, dass ihr mittlerweile der Kiefer schmerzte.
    »Sieh an, sieh an. Da haben Sie ja eine wahre Antiquität! Dass es den noch gibt?«
    »Wia moana Sie, äh, wie meinen Sie das jetzt?«
    Er hatte es wieder getan. Seine bestimmt freundlich gemeinten Kommentare zu der nicht gerade spannenden Besichtigung verwirrten sie schon die ganze Zeit.
    »Nun …«, fast andächtig strich er über das Gehäuse der Maschine. »Damit habe ich vor elf Jahren angefangen. Mein damaliger Chef hatte nicht allzu viel von meinen Fähigkeiten gehalten und sich wohl gedacht, dass ich beim Kopieren nicht so gravierenden Schaden anrichten könnte.«
    »Ah!«, mehr fiel Claudia auf die Schnelle nicht ein. Misstrauisch betrachtete sie ihn von der Seite. Sollte sich ihr Verdacht, dass sie bei dem Austauschprogramm vielleicht die absolute Niete gezogen hatten, tatsächlich bestätigen? Petersen schien ihre Gedanken zu erraten und lächelte daher entschuldigend.
    »Ich bin mittlerweile nicht schlecht in dem, was ich mache. Nur manchmal werde ich etwas nostalgisch, wenn ich an meine Anfangszeiten denke. Sie müssen wissen, dass ich in einer ganz kleinen Abteilung auf dem platten Land angefangen habe, wo das Schlimmste, was passieren konnte, ein Hühnerdieb war. Da war ich ganz froh gewesen, wenn ich mich beschäftigen konnte. Sie glauben ja gar nicht, was man mit diesem Gerät alles anstellen kann.«
    Claudia blickte auf den Kopierer. Wollte sie das wirklich wissen?

7
    Erika war immer noch sauer, was bei Anni automatisch dazu führte, dass sie sich wieder besser fühlte, denn nun durfte die Chefin sich einmal über die unzuverlässige Praktikantin ärgern, was nur allzu fair war, da sie Heidi ja schließlich eingestellt hatte.
    Zusammen mit Wolfgang und den Kindern ging Anni lachend den kleinen, steilen Pfad hinunter, der zum Wildbach führte. Es störte sie auch nicht sonderlich, dass Oskar schon wieder die
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