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Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen

Titel: Der Scout. Kleinere Reiseerzählungen, Aufsätze und Kompositionen
Autoren: Karl May
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Dunkel des Waldes verschwunden. Dies lag ganz und gar in der indianischen Art und Weise, obwohl ein Europäer der Ansicht gewesen wäre, daß wir noch gar vieles mit einander zu besprechen gehabt hätten. Der Wilde redet weniger und handelt desto mehr.
    An Schlaf durfe ich jetzt freilich nicht denken, denn es galt, zur rechten Zeit im Fort zu sein. Es war anzunehmen, daß der Häuptling sehr bald aufbrechen werde.
    Ich verlöschte das Feuer, band das Kanot los und begann die Rückfahrt, den Fluß abwärts. Das ging bedeutend schneller als die Bergfahrt, und der Morgen war noch nicht zwei Stunden alt, so sah ich das Fort am Zusammenflusse der beiden Wasser vor mir liegen. Als ich das Kanot angebunden hatte und die Höhe langsam emporstieg, bemerkte ich eine Art von Lager, welches vor den Palissaden des Forts errichtet war. Es bestand aus einfachen Zweighütten und schien eine Schar von Trappern zu Bewohnern zu haben, denn es lag eine Menge von Fallen und anderen zur Pelztierjagd erforderlichen Instrumenten da herum. Diese Leute waren während meiner Abwesenheit hier angekommen und machten, so viele ich ihrer grade jetzt bemerkte, einen nicht eben günstigen Eindruck auf mich.
    Acht bis zehn von ihnen standen beisammen und übten sich im Schießen. Sie hatten ein kleines Brett an den Stamm eines Nußbaumes genagelt und mit Kreide ein Zentrum gemalt, nach welchem sie zielten. Ich wollte vorübergehen, nachdem ich ihnen einen guten Morgen geboten hatte, doch schien ich mich da in ihnen verrechnet zu haben. Der eine stellte sich mir geradezu in den Weg. Er duftete trotz der frühen Morgenstunde bereits gewaltig nach Brandy und brüllte mich mit einer Stimme an, als ob ich eine englische Meile von ihm entfernt stehe:
    »Hollah, Master, hier geht man nicht vorbei. Wir haben einen Schießstand errichtet, wo gewettet wird. Der schlechteste Schuß gibt einen Drink, jedem ein volles Glas, und ein jeder, der sich außerhalb der Palissaden befindet, muß mitmachen.«
    Dieser Kerl war mir außerordentlich widerlich. Wo hatte ich seine Physiognomie nur bereits einmal gesehen? Getroffen hatte ich diesen Mann bereits irgendwo, aber wann und an welchem Orte? Er mußte sich einmal in einem schlimmen Kampfe befunden haben, denn er hatte einen Hieb erhalten, der ihm die rechte Seite des Gesichtes vollständig abrasiert hatte. Er war schauderhaft anzusehen mit seiner bebarteten linken und der rohfleischfarbenen rechten Hälfte des Gesichtes.
    »Man muß mitmachen? Wer hat das bestimmt, Sir?« fragte ich.
    »Ich, Master,« antwortete er. »Ihr müßt nämlich wissen, daß ich der Anführer diesen ehrenwerten Gentlemen bin. Wir sind nach Fort Caß gekommen, um neue Munition zu kaufen und werden dann wieder ein wenig Biber fangen.«
    »So wünsche ich Euch viel Glück im Geschäft, Sir.
Good bye!
«
    Ich wollte gehen, er aber hielt mich am Arme fest.
    »
Zounds!
Wollt Ihr wohl stehen bleiben und einen Drink mit uns schießen! Ich habe Euch gesagt, daß ein jeder muß!« meinte er.
    »
Pshaw!
Und ich sage Euch, daß ich nicht will!«
    Ich schüttelte seinen Arm ab und ging.
    »Ah, ein Gentleman, der zwar ein Schießzeug trägt, aber nicht schießen kann!« lachte er höhnisch, und die andern stimmten in sein Gelächter ein. »Seht ihn an! Er hat gewichste Stiefel wie ein Dancingmaster und eine Haltung wie ein Noblingkutscher. Wir werden ihn schon noch zwingen, uns zu zeigen, was er mit seiner Sonntagsbüchse zu leisten vermag!«
    Ich beachtete dieses Geschwätz natürlich gar nicht und trat durch das geöffnete Thor in das Fort, wo ich mich sofort zum Major begab. Dieser hatte sich soeben von seiner Nachtruhe erhoben und empfing mich entschieden mürrisch.
    »Wo haben Sie gesteckt, Sir?« fragte er mich. »Man hat Sorge um Sie gehabt. Ein Bewohner des Forts soll nicht über Nacht fortbleiben. Sie wissen, daß ich für jedes Unglück verantwortlich gemacht werde!«
    Das war ja geradezu ein Verweis, den ich erhielt! Ich hatte im Fort nur meinen dort ja bisher unbekannten Namen angegeben; daß ich der so oft genannte Old Shatterhand sei, wußte niemand, sonst hätte der Major sich wohl eines solchen Tones nicht bedient.
    »O bitte, Sir,« sagte ich daher, »es ist mir nicht bekannt, daß ich mich bei meiner Ankunft auf Fort Caß meiner Selbständigkeit begeben hätte. Ich als Zivilist betrachte diesen Ort als gut geeignet, mir neue Kleider, Patronen u.s.w. zu kaufen und mir einige Ruhe zu gönnen, mich aber einer Disziplin zu unterwerfen, ist
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