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Der schwarze Atem Gottes

Der schwarze Atem Gottes

Titel: Der schwarze Atem Gottes
Autoren: Michael Siefener
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hellblauen Augen blickten trotzig und zugleich belustigt drein.
     
    »Was für ein hübscher Anblick«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Es tut mir zwar leid, es sagen zu müssen, aber du solltest dir jetzt besser etwas anziehen. Schließlich scheinst du schöne Kleider zu haben.« Er befühlte kennerhaft den schweren Stoff des Mieders.
     
    Natürlich hatte Maria diese Sachen nicht gekauft; dazu hatte sie kein Geld. Sie hatte sie vor einem Monat bei einer adligen Dame »ausgeborgt«, wie sie es nannte. Hastig zog sie zuerst das schlichte Hemd – ihr eigenes – und dann das Mieder an und befestigte zum Schluss die Ärmel an den Schultern.
     
    »Wir müssen uns beeilen. Komm! Und vergiss deine Beute nicht!« Der Mann zerrte an ihrem Arm.
     
    Maria stemmte sich gegen ihn. »Halt!«, rief sie. »Wer sagt denn, dass ich mit dir gehen will?«
     
    »Dein Verstand sagt es dir. Ohne mich hast du keine Möglichkeit, heil aus diesem Städtchen herauszukommen. Mein Pferd wartet schon. Komm doch endlich.«
     
    Maria gab seinem Drängen nach. Er geleitete sie in einen kleinen, stillen Hinterhof, in dem eine winzige Stallung lag. Der Mann führte eine kräftige Stute heraus, warf ihr die Decke über und schnallte dann einen alten Sattel darauf, der neben dem Pferd im Stall gestanden hatte. »So«, sagte er, »jetzt geht’s los.« Er hob Maria nach vorn in den Sattel, setzte sich hinter sie, ergriff die Zügel und trieb das Pferd an.
     
    Sie kamen an das Stadttor. Marias Retter winkte einem der Wächter zu, der die beiden anstandslos passieren ließ. Als sie das Tor gerade hinter sich gebracht hatten, sagte der junge Bauer: »Spätestens in einer Viertelstunde wäre hier kein Durchkommen mehr gewesen; dann nämlich werden die Wächter von deinem Verbrechen wissen.«
     
    Bei einem kleinen Buchenwäldchen, von dessen Rand aus man in der Ferne die Tore und Türme von Volkach sehen konnte, hielt Marias Retter das Pferd an. Sie stiegen ab und setzten sich ins hohe Gras.
     
    »Hat es sich denn gelohnt?«, fragte der junge Mann.
     
    Maria wollte ihm zunächst nicht ihre Beute zeigen, aber etwas in seinem Blick sagte ihr, dass sie es besser tun sollte. Schließlich war sie ihm vollkommen ausgeliefert. Sie war ohne ihren Willen in diese seltsame Situation hineingeraten, die ihr keineswegs gefiel. Widerwillig gab sie dem Mann die beiden Geldkatzen.
     
    Er schüttete ihren Inhalt ins Gras. »Sehr schön«, sagte er. »Das behalte ich als Lohn für deine Rettung, aber hab keine Angst, denn das Geld wird auch dir zugutekommen. Einer für alle und alle für einen. Schließlich gehörst du jetzt zu uns.«
     
    »Ich will zu niemandem gehören. Ich gehöre nur mir.«
     
    Der junge Mann lachte. »Du bist ein wildes Mädchen! Wie heißt du?«
     
    »Maria.« Ihr kam es plötzlich so vor, als gebe sie mit ihrem Namen ihr Innerstes preis.
     
    »Reist du ganz allein durch Gottes weite Welt?«
     
    »Was geht dich das an?«, gab Maria schnippisch zurück.
     
    »Verzeih«, sagte der junge Mann, »du hast recht. Es geht mich wirklich nichts an. Aber eigentlich würden wir gut zusammenpassen. Ich heiße nämlich Josef.« In seinen blassblauen Augen lauerte der Schalk. Er hatte etwas jungenhaft Liebenswürdiges an sich, aber gleichzeitig war er mit seinen eingefallenen Wangen und seinem durchdringenden Blick auch eine unheimliche Erscheinung. »Es wäre gut, wenn du niemanden auf der Welt hättest, denn wenn du einen Liebsten hast, dann musst du ihm jetzt Lebewohl sagen.«
     
    »Warum?«
     
    »Ich wiederhole mich nur ungern: Weil du jetzt zu uns gehörst.« Josefs Stimme hatte nun etwas Schneidendes an sich.
     
    »Ich bin allein. Schon seit vielen Jahren. Das heißt natürlich nicht, dass ich noch nie einen Mann gehabt hätte.« Sie warf ihr schönes, braunes Haar kokett in den Nacken, zog dann die Knie an und umfasste sie mit den Armen.
     
    »Das ist mir klar. Soweit ich weiß, hattest du vorhin noch ein besonders beeindruckendes Exemplar unserer Gattung.«
     
    Maria musste lachen, doch mitten in ihrem Gelächter fiel ihr etwas auf. Sie verstummte.
     
    »Woher weißt du das? Du warst nicht unter denen, die mich verfolgt haben.«
     
    »Oh, ich weiß sogar noch mehr. Das war nicht dein einziger Raubzug heute.« Josef streckte die Beine aus, lehnte sich an einen jungen Buchenstamm und riss einen Grashalm aus. Er kaute genüsslich daran herum, während er Marias Verwunderung offensichtlich sehr genoss.
     
    »Steckst du etwa mit
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