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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer
Autoren: Gudrún Eva Mínervudóttir
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Bild.«
    »Natürlich darfst du sie haben«, sagte Lóa und breitete das Handtuch auf dem Boden aus. Es war riesengroß mit einem Motiv aus Sonnenschirmen und Wasserbällen. Sie faltete das Schlafanzugoberteil in der Mitte des Handtuchs auseinander, legte die Puppe mühevoll darauf und bugsierte ihre Arme in die Ärmel.
    »Warum hat die Schaufensterpuppe Haare?«, fragte Ína und zeigte auf die Scham der Puppe.
    »Nur so«, antwortete Lóa und zog die Hose hoch. »Du darfst das Oberteil zuknöpfen.«
    Lóa lockerte ihren Rücken, indem sie sich vorsichtig hin-und herwiegte, strich Ína über ihr nach der eifrigen Kleiderwäsche feuchtes Haar und fragte: »Sollen wir Margrét wecken?«

III
Samstag
    Der Tag war längst angebrochen, als Sveinn erwachte. Seine Stirn und seine Augen waren entspannt, wie wenn lang ersehnter Sonnenschein einsetzt, obwohl seine Muskeln immer noch vor Erschöpfung schmerzten. In einem Zimmer voller Licht und schwüler Hitze und mit der zusammengeknüllten Bettdecke zwischen den Beinen.
    Er setzte sich im Bett auf und strich sich mit den Fingern durchs Haar, das vor Schmutz trocken und stumpf war. Woher kam diese ungewohnte Vorfreude? Erwartete ihn etwas Spannendes? Lange unter der Dusche stehen. Sich Kaffee und eine Scheibe Brot genehmigen, die Zeitung lesen. Die letzten paar Handgriffe ausführen, bis die Mädchen fertig waren. Ihnen die Nägel ankleben, die Köpfe auf den Rümpfen befestigen. Ihnen die Kleider überstreifen, die Kisten zusammenbauen.
    Anschließend musste er die Schwarzhaarige zu Kjartan bringen. Sie war längst fertig, aber er hatte noch keine Zeit gehabt, sie auszuliefern. Vielleicht hatte er auch nur die Geduldsprobe, die ein Treffen mit Kjartan bedeutete, vor sich hergeschoben.
    Kjartan hatte bereits eine Puppe gekauft und wollte jetzt die zweite erwerben. Er arbeitete für einen gerade noch menschenwürdigen Lohn bei der Müllabfuhr und hatte monatelang für
die zweite gespart. Für die erste hatte er seine gesamten Ersparnisse ausgegeben, kurz nachdem Sveinn nach Akranes gezogen war. Sveinn hatte den Eindruck, dass sich Kjartan Gesellschaft erkaufen wollte, und zwar ebenso Sveinns wie die der Puppe, und das war ihm anscheinend geglückt. Nicht, weil Sveinn finanziell auf solche Geschäfte angewiesen wäre, sondern weil ihm Kjartans verzweifelte Lage nahe ging und er manchmal selbst froh war, mit jemandem reden zu können. Vor allem, nachdem Kjartan begonnen hatte, wie verrückt im Internet zu surfen und alle Informationen aufzusaugen, die er über Puppenherstellung finden konnte. Manchmal war es befreiend für Sveinn, laut über seine Arbeit, über die er fast jeden Tag nachdachte, reden zu können, und Kjartan war bestimmt der Einzige, der Lust hatte, ihm zuzuhören.
    Trotzdem war es jedes Mal, wenn sie sich trafen, so, als sickere ein Teil von Kjartans Elend in Sveinns Nerven, und der Gedanke, eine weitere Abendstunde auf dem sauteuren, pissgelben Ledersofa zu verbringen und Flaschenbier zu trinken, dämpfte die Vorfreude, die sich beim Schlafen in ihm breitgemacht hatte.
    Er stieg aus dem Bett, zog dabei die Unterhose aus und wischte sich damit den gröbsten Schweiß vom Rücken, bevor er sie in den Wäschekorb fallen ließ. Mitten im Flur blieb er abrupt stehen, als ihm die Frau einfiel, die er gestern Abend schlafend auf dem Sessel zurückgelassen hatte. Sie konnte noch da sein. Vielleicht schlief sie noch. Oder hantierte in der Küche mit der Kaffeekanne und frisch gebackenem Brot herum. Man konnte nie wissen, auf was für Ideen die Leute kamen, und er wollte ihr nicht splitternackt im Flur begegnen.
    Er ging zurück ins Schlafzimmer, fischte eine zerknitterte Hose aus dem Wäschekorb und zog sie an, seufzte, nahm saubere
Unterwäsche, eine Hose und ein Hemd aus dem Schrank und ging ins Bad.
    Das Wasser beflügelte etwas in ihm, das das Tageslicht noch nicht ganz hatte wecken können, und als er aus dem Bad kam, barfuß, frisch rasiert und in sauberen Klamotten, ertappte er sich dabei zu hoffen, dass diese Ólöf noch im Haus war. Dass sie ihm ihre Anteilnahme und ihre Bedürfnisse aufdrängen würde, wie es Frauen in Kinofilmen manchmal taten. Am Ende würde es ihr gelingen, sein verstaubtes, erstarrtes Herz zu berühren, und er würde ein besserer Mensch werden, und sie wäre für den Rest ihres Lebens glücklich und zufrieden, weil sie ihren Willen durchgesetzt hätte. The End . Er lachte, ein leises, schnaubendes Lachen, und ging ins Wohnzimmer. Es war
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