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Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)

Titel: Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Autoren: A. J. Kazinski
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dieser fast brodelnden Neugier? Wo waren all die Gefühle, die sein halbes Leben dermaßen gesteuert hatten?
    »Nicht ein halbes Leben.«
    War er das selbst, der da redete?
    »Ein ganzes Leben. Das Leben lässt sich nicht aufteilen. Das geht nur auf der Erde. Ab jetzt ist alles anders, ab jetzt ist alles vollständig.«
    Lachen . War das auch er?
    Aber die Erinnerung war noch immer da, genau wie Bergmann es beschrieben hatte. Bergmann . Jetzt war alles wieder da: Hannah, die tote Frau des Schlafforschers, ermordet. Aber das war nicht sein Problem. Außerdem: Es geschieht ja nichts. Es ist nicht schlimm, genau wie Sokrates es beschrieben hatte. Im Gegenteil. Es war leicht. Alles hatte eine ungeheure Leichtigkeit. Seine Gedanken, sein Körper, eine schwerelose Anmut. Sorgen, Ambitionen, Gelüste und Hass – all das steckte im Körper. Nicht in der Seele. Er dachte daran, wie ihn die anderen in den fast fünfzig Jahren seines Lebens genannt hatten, bis er von einem vollkommen neuen Farbspektrum abgelenkt wurde: Nuancen von Rot und Grün, die er für unmöglich gehalten hätte. Oder lag das an seinen Augen? Flimmerndes Licht begegnete ihm, suchendes Licht. Als zöge es an ihm, als riefe es ihn lockend zu sich. Keine Formen, die er kannte, nichts Vertrautes, an dem er sich orientieren konnte. Aber das machte nichts. Denn er war nicht bloß Beobachter, nicht bloß ein Mann auf einer Wanderung durch eine Landschaft, die er nicht verstand. Er war diese Landschaft. Die Grenze zwischen ihm und all dem, was ihn umgab, existierte nicht mehr.
    »Niels!«
    Ein Ruf aus einer anderen Welt. Der Ruf einer Frau. Er drehte sich um. Ja, sie waren da unten. Aber das hatte nichts zu sagen. Sie mit ihren Sorgen. Warum war überhaupt jemand auf die Idee gekommen, dass wir Zeit in einem menschlichen Körper ver bringen mussten?
    »Niels!«
    Ja, da war ein Weg oder ein schmaler Pfad, er konnte ihn jetzt erahnen. Er war der Weg. Sowohl der Weg als auch der Reisende, der sich auf ihm befand. Der Weg bestimmte das Tempo. Führte ihn, geleitete den Reisenden von einem Ort zum anderen. Hinein. Hinein in etwas, das vielleicht ein Raum war. Vier Wände. Und über den Wänden: Erde. Mit all dem Leben, das es dort gab. Ein ganzes Universum auf so wenig Platz.
    »Niels!«
    Jetzt sah er sie. Hannah. Die Schmerzen in ihrem Blick. Und das leuchtende Herz. Ein Gefühl, gleichermaßen fremd und vertraut. Transparent.
    Liebe .
    Ein Raum ohne Decke. Jetzt wurde er in einem Strom aus Licht gefangen, bis er sich über den Raum erhob und das Netz sah. Wenn es denn ein Netz war. Flechtwerk. Der Ort, an dem der Silberfaden, der in ihm seinen Ausgangspunkt hatte, mündete und sich mit anderen Fäden verflocht und gemeinsam alles umspann. Alles. Ein überdimensionales Gewebe, geschaffen aus Leben und Licht.
    »Niels!«
    Zurück in den vier Wänden. Er sah einen Körper. Niels Bentzon.
    »Niels!«
    Jetzt schrie sie.
    Eine Bewegung seitlich neben dem Mann, der sich über Niels Bentzon beugte. Eine Gestalt, die sich mit dem Rücken an die Wand presste, in die Ecke des Raumes. Ihre nackten Schultern. Ihr Gesicht konnte er nicht sehen. Außerhalb der vier Wände, auf dem Flur, sah er schwarz gekleidete Männer durch das Dunkel laufen. Er erkannte sie aus einem früheren Leben. Leon . Er war ganz vorn. Ganz allein.
    Allein .
    Wir sind nicht allein. Niemals. Aber Leon war ganz vorn. Er schlug mit dem Kopf gegen ein Schild. Drehte sich um. Niemand hatte es gesehen. Er winkte seine Männer weiter. Bald waren sie an der Tür des Raumes mit den vier Wänden.
    »Niels!«
    Der Raum mit den vier Wänden. Der Mann, der versuchte, Niels Bentzon zurück ins Leben zu holen. Und die zwei Frauen. Hannah. Und die, die neben Bergmann stand. Voller Liebe, voller Verzeihen.

39.
    Regan Ost, 00.01 Uhr
    Die Lichtkegel der Taschenlampen zuckten suchend wie Blin denstöcke durch das Dunkel. Ihrem Ziel entgegen. Vorbei an den kleinen Räumen, die den Regierungsmitgliedern zugedacht wa ren: Justizminister, Ministerpräsident. Kein Kultusminister, dachte Leon, als er seine Leute weiterwinkte. Er war ganz vorn. Was Vor- und Nachteile hatte. Zum Beispiel, dass er im Dunkel gegen ein Schild rannte. War das ein Vor- oder ein Nachteil? Wäre er nicht dagegengelaufen, wäre das sicher einem seiner Leute passiert. Und wer konnte am besten Schläge einstecken?
    Leon flüsterte »Schild!« und wies mit der Taschenlampe darauf hin.
    »Es gibt zwei verschiedene Wege«, sagte der Assistent hinter Leon.
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