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Der Schichtleiter

Titel: Der Schichtleiter
Autoren: Alex Seinfried
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neben mir bumsen willst, vielleicht hättest du schlicht fragen sollen, anstatt mich – ja, zu betrügen . Hast schon recht, das ist genau das richtige Wort.“
    Wir stehen eine Zeit lang schweigend voreinander. Es dauert eine ganze Weile, bis sich mein Atem wieder beruhigt – und auch die Gedanken in meinem Kopf ordnen sich langsam.
    „Du hast verloren, Marco“, sage ich schließlich. „Ich werde deinen Nachbarn nicht anzeigen und ich werde auch nicht auf der Arbeit gegen ihn vorgehen. Ich bleibe hier, bin eine Woche lang krank, vielleicht auch zwei und gehe dann den Rest der Semesterferien arbeiten. Über die Hälfte habe ich ja schon geschafft. Und jetzt dürfte das mit dem Arbeitsklima auch anders laufen, da du im Hintergrund nicht mehr die Fäden ziehst, oder? Kennst du das Codewort? Papagei ? Ich sage das jetzt: Papagei! Ich sage das zu dir !“
    Er nickt wortlos.
    „Deinen Porno-Benny kannst du bitte zurückpfeifen, das Spiel ist aus. Obwohl – den hast du auch nicht wirklich unter Kontrolle, oder? Mit Werner schließe ich einen Deal, dass er die Videos aus dem Netz löscht und damit ist die Sache für mich erledigt. Was du da noch machst, keine Ahnung. Allerdings wäre es freundlich, wenn du vorher auch ein wenig an andere denkst.“
    „Aber …“
    „Marco, ich habe keine Lust, meinem Vater direkt nach dem Outing auch noch erklären zu müssen, dass ich Pornodarsteller bin. Das ist etwas viel, findest du nicht?“
    „Finn, ich wünschte …“
    „Ja, ich auch, aber das lässt sich leider alles nicht mehr rückgängig machen. Du hast recht, ich habe tatsächlich mehr oder weniger freiwillig mitgespielt. Und ich höre jetzt damit auf. Ich lasse mich nicht für deine Rache missbrauchen. Den Kampf musst du allein führen, wenn du nicht in der Lage bist, offen darüber zu sprechen. Vielleicht schaust du einfach mal, wie das mit den Verjährungsfristen aussieht, und stellst selbst Anzeige. Wäre ja immerhin denkbar, dass der Zielke eine Anzeige gegen dich stellt, weil du ihn erpresst hast, andere zum Sex vor der Kamera zu nötigen.“
    Marco schaut mich an, als würde er jeden Moment den Todesstoß erwarten. Aber ich bezweifle, dass meine Worte tatsächlich so dramatische Auswirkungen haben können. Ich bezweifle, dass da überhaupt noch sowas wie Liebe zwischen uns besteht – oder jemals bestanden hat.
    „Kann ich – kann ich das irgendwie …“
    „Ich weiß es nicht“, sage ich ehrlich. „Aber im Moment ist es wohl am Besten, wenn du einfach nur gehst und wir uns erst mal nicht mehr sehen.“
    Marco nickt. Es dauert ein paar Minuten, bis er zur Tür schlurft. Bevor er aber tatsächlich das Zimmer verlässt, nimmt er mich noch mal in den Arm. Ich lasse es geschehen. Ich spüre seine Lippen auf meinen und frage mich, wie sich das anfühlt. Aber es ist irgendwie ein seltsam leerer Kuss. Dann geht er.
    Ich höre, wie er sich unten von meinen Eltern verabschiedet. Danach fällt die Haustür ins Schloss und irgendwann zündet draußen ein Motor und ein Wagen fährt weg. Auf der Treppe höre ich die Schritte meiner Mutter. Ich erkenne sie, weil sie so schnell geht. Sie bleibt jedoch auf der Mitte stehen und steigt langsam wieder runter. Danke. Im Moment möchte ich das Beziehungschaos nicht erklären müssen.
    Eine ganze Weile bleibe ich im Türrahmen stehen. Dann gehe ich schließlich zum Gästezimmer rüber. Lukas liegt auf dem Bett. Als er mich sieht, legt er sein Handy weg und lächelt fragend und traurig zugleich. Ja, vorhin war ich wütend auf ihn, weil ich davon überzeugt war, dass er Marco lediglich hergeholt hat, um uns auseinanderzubringen. Jetzt weiß ich, dass es gar keine andere Wahl gab, als dass ich und Marco getrennte Wege gehen.
    „Ich hab mich von ihm getrennt“, sage ich.
    Lukas nickt. „Ich mich auch.“
    „Hä?“
    „Du hast recht, dass es Mara gegenüber unfair ist.“
    Ach du Scheiße! An Mara habe ich bei all dem Chaos überhaupt nicht mehr gedacht. Mir schießt sofort eine ekelhafte Hitze ins Gesicht.
    Lukas setzt sich auf. „Es stimmt nicht, dass ich ihr nicht gesagt habe, wo ich bin. Wir haben uns gestritten und dann eine Beziehungspause vereinbart. Irgendwie ist seit der Idee, dass sie in die WG zieht, der Wurm drin gewesen. Und – na ja, sie wollte jetzt eine Entscheidung von mir und ich habe mich entschieden.“
    Ich schlucke. Ich wusste, dass es noch Probleme gibt. Da hab ich’s! Von einem Theater zum nächsten! „Ich sollte sie anrufen …“
    Dann stocke ich.
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