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Der Scheich

Titel: Der Scheich
Autoren: Edith Maude Hull
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sie der Grausamkeit des Scheichs wieder hilflos ausgeliefert. Wie würde er sie behandeln? Ihre Hände umklammerten ihre Knie. Hin und wieder lauschte sie mit angehaltenem Atem, damit ihr auch nicht das leiseste Geräusch entging, das seine Rückkehr verkündete. Und gleichzeitig fürchtete sie sich davor. Obwohl sie sich leidenschaftlich nach ihm sehnte, war ihr bang. Er hatte sich so verändert, daß er ihr fast wie eine Fremder vorkam.
Bedrückt sah sie sich in dem Raum um, in dem sie soviel Freude und Leid erfahren hatte. Früher hatte sie unerschütterliche Nerven besessen, doch heute überstürzten sich die beängstigenden Gedanken. Die Luft schien förmlich zu knistern. Die kleine Lampe warf zwar einen Lichtkegel auf das Bett, aber der restliche Raum lag im Dunkel. In den Ecken tanzten schwankende Schatten. Ansonsten vertraute Vorhänge und Gegenstände nahmen unwirkliche Formen an, und Diana beobachtete sie furchtsam. Schließlich rieb sie sich die Augen und lachte ärgerlich auf. Hatte die Liebe sie völlig verändert und in einen Feigling verwandelt? Brachte dieses übermächtige Gefühl sie um den letzten Rest ihres Verstandes? Natürlich wußte sie, welche Veränderung mit ihr vorgegangen war. Noch nie hatte sie sich etwas vorgemacht oder versucht, ihren Eigensinn und Stolz zu bezähmen.
Wieder einmal dachte sie an die letzten Monate, in denen ihr ganzes Leben durcheinandergeraten war. Ihre letzte leichtsinnige Eskapade, für die so teuer bezahlt hatte, war Ergebnis ihres Hochmuts und ihres Dickkopfes gewesen. Sie hatte die Expedition in die Wüste trotz aller Warnungen angetreten. Und Ahmed Ben Hassan, noch viel entschlossener und hochmütiger als sie, hatte sie gezähmt wie eines seiner großartigen Pferde. Er war grausam und gnadenlos gewesen, hatte keine Halbheiten hingenommen und sie durch reine Willenskraft zum Gehorsam und zur völligen Unterwerfung gezwungen. Wie leidenschaftlich sie ihn gefürchtet und gehaßt hatte - bis der Haß einer ebenso feurigen Liebe gewichen war.
Warum sie ihn liebte, wußte sie nicht. Nie war es ihr gelungen, dieses übermächtige Gefühl zu erklären. Doch sie liebte ihn nicht nur wegen seiner Schönheit und animalischen Kraft. Und diese grenzenlose Liebe hatte ihren Stolz gebrochen, so daß sie sich demütig ihm zu Füßen geworfen hatte. All die Liebe, die jahrelang in ihr geschlummert hatte, schenkte sie diesem Mann. Mit Leib und Seele gehörte sie ihm.
Und die Veränderung zeigte sich deutlich in ihrem Gesicht. Die Arroganz in ihren Augen war einer zärtlichen Wehmut und dem Glanz ständiger Erwartung gewichen. Und der trotzige Mund hatte den verächtlichen Zug verloren. Seit der Verwandlung war sie schöner denn je. Doch die Liebe wurde von der Furcht überschattet, die sie seit der ersten Begegnung empfand - und die nicht einmal in den glücklichen Wochen vor Saint Huberts Ankunft ganz verflogen war. Dazu kam jene andere, noch größere Angst vor dem Ende, die sie manchmal veranlaßte, rastlos im Zelt auf und ab zu laufen, als versuchte sie, der drohenden Gefahr zu entfliehen.
Der Gedanke, er könnte ihrer müde werden, begleitete sie unentwegt, auch jetzt, und sie bemühte sich wie immer, ihn zu verdrängen. Aber er verfolgte sie wie ein Gespenst. Immerhin stand es fest, daß er sie nicht aus Liebe in sein Lager geholt hatte - nur, um eine flüchtige Begierde zu stillen. Er hatte sie gesehen, begehrt und entführt. Und sobald sie in seiner Gewalt gewesen war, hatte es ihn amüsiert, ihren Widerstand zu brechen. Das alles wußte sie. Stets blieb er ehrlich, niemals gab er vor, sie zu lieben.
Wenn es ihm gefiel, konnte er sogar zärtlich sein, so wie in jenen wenigen wunderbaren Wochen. Doch diese Sanftmut entsprang keiner Liebe. Kein einziges Mal hatte sie in seinen Augen das ersehnte Licht gesehen. Seine Liebkosungen wirkten leidenschaftlich oder achtlos, je nach Lust und Laune.
Von seiner Liebe ahnte sie nichts. In den langen Stunden seines Deliriums war sie nicht bei ihm gewesen, hatte das Gestammel des Fieberwahns nicht gehört, an das sich Raoul de Saint Hubert so verzweifelt erinnerte. Und seit Ahmeds Genesung verstärkte sein Gleichmut ihre Angst. Für sein Schweigen und die Beharrlichkeit, mit der er ihr aus dem Weg ging, gab es nur eine einzige Erklärung: Die flüchtige Leidenschaft war erloschen. So als hätte das Blut aus seiner schrecklichen Wunde auch jegliches Gefühl ausgeschwemmt. Diana interessierte ihn nicht mehr, und er suchte nach Mittel und
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