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Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)

Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)

Titel: Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
Autoren: Rebecca Michéle
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Schweißbänder in die Hüte ein. Für die Frühjahrskollektion hatte ich mir etwas Besonderes ausgedacht. Aus Stoffresten und Wollfäden fertigte ich kleine Früchte: rotbackige Äpfel, grüne Birnen, Kirschen, kleine Bananen und sogar Ananasfrüchte. So entstand ein richtiges Obstarrangement, das ich anschließend auf die Krempen nähte. Madam Mellyns Kundschaft war begeistert. Die Kreationen waren so begehrt, dass ich oft bis spät in die Nacht stickte und nähte. Es machte mir nichts aus, denn so hatte ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun. Wenn Kitty mir bei der Arbeit zuschaute, wurden ihre Augen rund vor Bewunderung.
»Ich wünschte, ich könnte das auch«, seufzte sie. Sie arbeitete zwar genauso fleißig und korrekt, doch fehlte es ihr an der notwendigen Fantasie, etwas Kreatives auszuprobieren.
Einmal saßen wir im Nähzimmer, das nur durch einen schweren Vorhang vom Verkaufsraum abgeteilt war, als eine Kundin den Laden betrat. Sie wurde von Madam Mellyn überschwänglich begrüßt. Die Frau eines wohlhabenden Bankiers kaufte jede Saison mindestens vier Hüte in dem Salon.
»Madam Mellyn! Sie sind eine wahre Künstlerin!«, lobte die ältliche Dame mit hoher, piepsiger Stimme. »All meine Freundinnen sind begeistert von den Fruchthüten.« Sie kicherte. »So nenne ich Ihre Kreationen. Sie werden in der nächsten Zeit eine Menge zu tun haben, denn ich habe Ihren Salon mindestens einem Dutzend Damen empfohlen!«
»Ich danke Ihnen.« Madam Mellyns Stimme klang demütig, aber es schwang auch eine gute Portion Stolz darin. Ich presste meine Lippen aufeinander und beugte mich tiefer über den Hut, an dem ich gerade eine Efeuranke aufstickte. Die Bankiersfrau lachte erneut.
»Sie sind zu bescheiden, Madam! Viel zu bescheiden! Wer über so viel Kunstfertigkeit verfügt, sollte sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Hier, sehen Sie diesen Hut. Die kleine Ananas ist entzückend, einfach umwerfend! Ich beneide Sie wirklich um Ihre geschickten Finger.«
»Es ist mir eine Freude, wenn meine Arbeit dazu dient, Ihr gutes Aussehen zu verschönern, auch wenn das kaum möglich ist«, biederte Madam Mellyn sich an. Im Hinterzimmer schoss mir die Röte in die Wangen. Nein, ich war nicht böse, dass Madam Mellyn meine Arbeit als die ihrige ausgab, dass sie nicht richtig stellte, dass in Wahrheit nicht sie, sondern eine Angestellte die Obstarrangements kreierte und herstellte. Ich wusste, dass mein Platz im Hintergrund war. Trotzdem gab es mir einen leichten Stich ins Herz.
»Warum sagt sie nicht, dass du es entworfen hast?«, flüsterte mir Kitty zu. »Sie heimst den ganzen Ruhm und auch das Geld für etwas ein, was sie nur dir zu verdanken hat. Du solltest ein höheres Gehalt von ihr fordern!«
»Ich befinde mich nicht in der Situation, Forderungen stellen zu können«, antwortete ich scheinbar gleichgültig und fuhr mit dem Sticken fort, doch ich stach die Nadel fester in den Stoff, zog den Faden straffer an und fragte mich nicht zum ersten Mal, was mich eigentlich noch hier hielt.
     
    Inzwischen war es Frühling geworden, und in den zahlreichen Parks der Stadt erwachte neues Leben. Nach wie vor ging ich sonntags in die Kirche, danach schlenderte ich meistens ziellos durch die Straßen. Gerne stand ich am Ufer der Themse und betrachtete die neu errichtete Brücke mit ihren beiden wuchtigen gotischen Brückentürmen. Zu gerne hätte ich einmal den Fußgängersteg, der in schwindelnder Höhe die beiden Türme verband, erklommen, aber die Besichtigung der Tower Bridge kostete so viel Eintritt, wie ich in einer Woche verdiente. So begnügte ich mich damit, staunend zuzusehen, wie sich mehrmals täglich die breite Fahrbahn hob, um Schiffen die Durchfahrt in den Hafen zu ermöglichen.
Als die Tage wärmer wurden, nahm mich Kitty in den Vergnügungspark Vauxhall am südlichen Ufer der Themse mit. Dort lockten Alleen und überdachte Promenaden Spaziergänger an. In kleinen, grün gestrichenen Erfrischungsbuden wurden Wein und Punsch, Tabak und Schnupftabak, Schinkenaufschnitt und halbe gebratene Hühnchen verkauft. Unter den knospenden Bäumen spazierten jeden Sonntag Scharen von Männern und Frauen. Manche Damen schienen allerdings von zweifelhafter Herkunft und Moral zu sein, denn ihre Wangen waren zu rot und die Kleider zu weit ausgeschnitten, als dass man ihnen Ehrbarkeit nachsagen konnte. Zuerst war ich schockiert, dass Kitty freundlich nach rechts und links grüßte, mal bei der einen, dann bei der anderen »Dame« zu
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