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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition)
Autoren: Chris Moriarty
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verdrängt wurden.
    Was Rabbi Kessler betraf, so wurde sein Name gar nicht in den Zeitungen genannt. In den Berichten war nur von
einem unglücklichen Opfer einer unschön verlaufenen Begegnung
die Rede.
    Der Dibbuk blieb unterdessen verschwunden. Durch Erfahrung klüger geworden, wusste Sascha aber, dass er ihn noch nicht los sein würde. Die Schattengestalt würde wiederkommen, und zwar stärker denn je. Allerdings stand sie jetzt nicht mehr unter Morgaunts Gewalt. Was das bedeutete, wusste Sascha nicht, aber es hatte nichts Gutes zu bedeuten.
    »Ich habe mich anders entschieden«, platzte Sascha gegenüber Wolf heraus. »Ich lerne zaubern.«
    Wolf sagte dazu nichts. Er starrte nur nordwärts auf die leuchtende Skyline der Stadt.
    Schließlich hielt es Sascha nicht länger aus. »Freut es Sie?«, fragte er giftig. »Dazu haben Sie mich doch immer drängen wollen. Ich dachte, Sie würden jetzt tanzen vor Glück.«
    »Ich brauche wohl nicht zu fragen, weshalb du deine Meinung geändert hast.«
    »Morgaunt hat meinen Großvater vor meinen Augen umgebracht. Und ich konnte nichts dagegen tun.«
    Wolf sah Sascha an. Er schien besorgt, doch sein Gesicht blieb im Schatten, wie alles in der verlassenen Straße.
    »Dein Großvater hat sich für dich geopfert. Glaubst du, er hätte sich gewünscht, dass du dein Leben für eine sinnlose Rache wegwirfst?«
    »Und was ist mit Morgaunt? Lassen wir ihn ungeschoren davonkommen?«
    »Er kommt auf jeden Fall ungeschoren davon, ob wir das ›zulassen‹ oder nicht. Ich habe schon alle Hände voll zu tun, dich am Leben zu halten.«
    »Warum tun Sie es dann?«, fragte Sascha bitter. Er zeigte auf die heruntergekommene Mietskaserne, die rostige Feuertreppe und die müllübersäte Gasse unter ihnen. »Schauen Sie sich doch um. Ich bin niemand, falls Sie das noch nicht bemerkt haben. Wenn Morgaunt mich umbringt, wen kümmert das schon?«
    »Dein Vater meinte, dass ihm sehr wohl etwas daran läge«, sagte Wolf schlicht.
    Sascha vergrub den Kopf in den Händen.
    »Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll«, begann Wolf. »Ich weiß nicht einmal, was ich dir eigentlich nahebringen will und ob es richtig ist, dass du so viel über alle diese Dinge nachdenkst. Als ich sagte, dein Großvater hat sich für dich geopfert, war das nicht die ganze Wahrheit. Alle anderen, die der Dibbuk umgebracht hat, sind unfreiwillig aus dem Leben geschieden, denn Dunkelheit, Angst und Leere in ihnen war seine Beute. Dein Großvater aber hat den besten Teil seiner selbst gegeben. Er gab ihm Leben, Wärme und Liebe. All das, wovon der Dibbuk glaubte, dass du es ihm gestohlen hattest.«
    Sascha erinnerte sich, was sein Großvater zu ihm gesagt hatte, und suchte nach Worten. »Glauben Sie, dass etwas von ihm jetzt in der Seele des Dibbuks lebt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht einmal, was eine Seele ist, Sascha. Diese Art von Magie entzieht sich meiner Kenntnis, ich kann dir leider nichts darüber sagen.«
    »Mein Großvater hat davon gesprochen. Aber ich habe kaum etwas verstanden. Ich hätte genauer zuhören sollen, aber ich habe ja nie daran gedacht, dass er nicht mehr da sein würde, um es mir zu erklären.«
    Wolf hüllte sich in Schweigen. Womöglich war auch sein Schicksal mit dem des Dibbuks verknüpft. Einst hatte Morgaunt Sascha gefragt, ob er Wolf verraten und für Pentacle arbeiten würde. Wolf war gerade noch rechtzeitig zu seiner Rettung erschienen, ehe er die Frage beantworten musste. Wie konnte Sascha entscheiden, ob der Dibbuk gut oder schlecht war, wenn er selbst diese dunklen Winkel seiner Seele nicht beantworten konnte?
    »Was machen wir jetzt?«, fragte er, ohne recht zu wissen, ob sich die Frage auf den Dibbuk oder auf Morgaunt bezog.
    »Wir tun unser Möglichstes«, sagte Wolf. »Mehr können wir nicht tun.«
    Plötzlich schob quietschend das Fenster auf und Beka lehnte sich hinaus. »Wie lange wollt ihr beide noch da draußen sitzen?«, fragte sie. »Der Nachtisch steht schon bereit. Wenn ihr den probieren wollt, kommt lieber rein. Mordechai quengelt schon um einen Nachschlag!«
    Sascha und Wolf schauten sich an. Dann lächelte Wolf.
    »Deine Mutter ist wirklich eine gute Köchin. Ich habe mich offen gesagt schon auf den Kuchen gefreut.«
    »Ja, ich auch.«
    »Na, dann iss ein Stück Kuchen, Sascha, und geh morgen wieder zu Shens Unterricht. Du musst heute nicht über dein ganzes weiteres Leben entscheiden. Das wäre mir, ehrlich gesagt, auch lieber.«
    Wolf stand auf, hantierte
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