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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger
Autoren: Monika Feth
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zu Papier gebracht hatte. Und danach alles, was andere über sie geschrieben hatten. Es ging ihm längst nicht mehr bloß um die Bücher dieser Frau. Es ging ihm um sie selbst. Imke Thalheim. Starautorin des Piepenbrink Verlags.
    Er liebte sie. Und er hasste sie.
    Er hatte längst aufgegeben, das verstehen zu wollen.
     
    Hauptkommissar Bert Melzig hatte beschlossen, sich diesen Samstag endlich einmal Zeit für seine Kinder zu nehmen. Er hatte sogar überlegt, welche Alternativen er ihnen anbieten wollte: eine Fahrradtour, einen Ausflug in den Zoo oder ins Aquarium oder einfach einen gemeinsamen Spieltag zu Hause.
    Doch dann waren beide mit Freunden verabredet gewesen.
    »Das wundert dich?«, hatte Margot gefragt, nachdem die Kinder freudig aus dem Haus gestürmt waren.
    Bert hatte genickt. Ja. Es hatte ihn gewundert. Wie oft hatten die Kinder sich beklagt und ihm vorgeworfen, er habe nie Zeit für sie. Und nun legten sie keinen Wert darauf, mit ihm zusammen zu sein.
    »Wie naiv bist du eigentlich?«
    Wenn Margot ihren spöttischen Ton anschlug, war ihm danach, die Augen zu schließen und zu vergessen, dass er dieser Frau jemals begegnet war.
    »Nie bist du da. Immer ist die Arbeit das Wichtigste für dich. Und dann hast du zufällig mal ein paar Stunden Leerlauf  zwischen zwei Fällen, erklärst die Kinder zu deinen Lückenbüßern und erwartest auch noch Begeisterung?«
    Sie verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln und fing an, mit großem Getöse die Wochenendeinkäufe auszupacken.
    »Ich hab mir das doch nicht …«
    »… ausgesucht?«, beendete sie den Satz für ihn. Wie gut sie ihn kannte. Ihn und seine Ausflüchte. Seine Rechtfertigungen. »Mach dir doch nichts vor, mein Lieber.«
    Mein Lieber. Was taten sie hier? Ihre Sätze klangen wie aus einem Theaterstück. Und war es nicht wirklich so, dass sie bloß noch ihre Rollen spielten?
    »Was willst du eigentlich von mir?«, fragte er angriffslustig.
    »Von dir?« Sie hob die Augenbrauen und ihre Stirn legte sich in müde Falten. »Nichts mehr. Nicht das Geringste.«
    Sein Handy klingelte.
    »Na bitte!« Margot warf die Arme hoch und ließ sie wieder sinken. »Was ist es diesmal? Eine neue Leiche? Entführung? Bewaffneter Raubüberfall? Irgendwas in der Art. Und weißt du was? Es ist mir egal! Es ist mir ab-so-lut gleichgültig, ob du hier bist, in deinem Büro oder sonst wo.«
    »Melzig!«
    Es war nicht fair, den unschuldigen Anrufer so anzublaffen, aber Bert hatte seinen Vorrat an Friedfertigkeit verbraucht. Er nahm sich seit Jahren zusammen. Immer und immer wieder. Allmählich wünschte er sich ein Ende herbei, wie es auch aussehen mochte.
    »Imke Thalheim. Guten Tag, Herr Melzig. Störe ich Sie gerade?«
    Ihre Stimme ließ seinen Atem stocken. Er hatte sie so lange nicht mehr gehört.
    »Aber nein. Überhaupt nicht. Was kann ich für Sie tun?«
    Ihr Zögern jagte ihm einen Schrecken ein. Jedes ihrer Zusammentreffen war durch ein Verbrechen zustande gekommen. Er hoffte inständig, dass nicht wieder etwas passiert war.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie damit behelligen soll«, tastete sie sich vor. »Es ist nur so, dass … ich ein ungutes Gefühl habe.«
    Du darfst mich mit allem behelligen, dachte Bert. Jederzeit. Spürst du das denn nicht?
    »Dann ist es auf jeden Fall gut, dass Sie sich melden«, sagte er. »Was ist denn los?«
    »Ich habe einen seltsamen Brief bekommen.«
    »Seltsam?«
    »Viele meiner Leser schreiben mir zu meinen Büchern, stellen mir Fragen, bitten um ein Autogramm. Dieser Brief ist anders.«
    »Inwiefern?«
    Er konnte ihr Schaudern spüren, doch als sie antwortete, war ihre Stimme fest wie immer.
    »Es ist ein Liebesbrief, der mich … bedroht.«
    Bert registrierte die Diskrepanz in ihren Worten, er bemerkte auch, wie vorsichtig sie die Begriffe wählte. Leise Furcht beschlich ihn.
    »Haben Sie schon häufiger solche Post erhalten?«
    Wieder ein kurzes Zögern.
    »Schwärmerische Briefe, ja. Auch durchaus welche, die übers Ziel hinausgeschossen sind. Ein Drohbrief war noch nicht dabei.«
    Erst jetzt fiel Bert auf, dass Margot mit verschränkten Armen am Kühlschrank lehnte und ihm zuhörte. Er drehte sich ein Stück zur Seite.
    »Ich würde mir den Brief gern ansehen«, sagte er.
    Imke Thalheim stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Als hätte sie Angst davor gehabt, dass er ihr Unbehagen nicht ernst nehmen könnte.
    »Ich bin noch unterwegs«, erklärte sie. »Aber in einer Stunde könnte ich zu Hause sein.«
    »Gut.
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