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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger
Autoren: Monika Feth
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Wackertsee«, verriet Ellen, die urplötzlich gesprächig geworden war. »Das ist kein richtiger See. Es ist eher so eine Ausbuchtung in einem Flussarm, der in den Rhein mündet.«
    Bert war vor Jahren einmal dort gewesen, zusammen mit Margot und den Kindern. Es gab da einen kleinen Strand und einen Tretbootverleih und ein Restaurant am Wasser, in  dem man guten Kuchen bekommen konnte. Er erinnerte sich an den Tag, den sie dort verbracht hatten, weil es einer ihrer glücklichen Tage gewesen war.
    Den Jachthafen hatten sie nur aus der Ferne gesehen.
    Bert hatte die Fahndung nach Manuel Grafen bereits veranlasst. Nun hatte er einen weiteren wesentlichen Anhaltspunkt. Er setzte zwei Kollegen auf die Jacht an und sah auf die Uhr. Es blieb ihm jetzt nichts mehr zu tun, als ins Büro zurückzufahren und zu warten.
     
    Wie ein Geisterschiff näherte sich die weiße Jacht. Imke spürte, wie das Blut aus ihrem Kopf wich. Langsam stand sie auf. Es war kühl geworden und ihre Gelenke waren steif vom Sitzen. Sie sah dem Boot entgegen, ohne den Blick auch nur eine Sekunde lang abzuwenden.
    Am Steuer saß ein Mann. Oder hieß es Ruder? Für einen Moment hasste Imke sich dafür, dass sie selbst in einer solchen Lage noch mit Worten spielte.
    Es war ihr nicht möglich, den Mann deutlich zu erkennen. Die Glasscheibe (vielleicht war es auch Kunststoff) spiegelte zu sehr. Imke bemerkte, dass er eine Kappe trug. Der Schirm verdeckte sein Gesicht.
    Der Bug des Boots glitt mit einem leisen Rascheln ins Schilf.
    Das Motorengeräusch verstummte.
    Der Mann erhob sich.
    Und dann schaute er sie an.
     
    Sie sah wunderschön aus, wie sie da so stand, so demütig und erwartungsvoll. Gar nicht die große Dame, als die sie immer gefeiert wurde. Fast wie ein Mädchen.
    Manuel kostete diesen Moment aus. Den Anfang seines Lebens.
    »Ich liebe dich«, sagte er leise.
    Er hatte noch keinen Schritt auf sie zu getan.
    Eins nach dem andern, dachte er voller Freude. Ich habe so lange gewartet. Was sind dagegen schon ein paar Minuten?
     
    »Wo ist meine Tochter?«
    Imke hörte erleichtert, dass ihre Stimme einen festen Klang hatte. Vielleicht ließ er sich davon täuschen. Seine Augen waren wie schwarze Löcher in seinem Gesicht. Das Lächeln erstarb auf seinen Lippen.
    Der junge Omar Sharif!
    Sie erinnerte sich.
    Deshalb war seine Stimme ihr so vertraut vorgekommen.
    »Ich hole sie.«
    Imke stockte der Atem. Wenn er nicht bluffte, hieß das, dass Jette nichts zugestoßen war.
    Er blickte sich aufmerksam um. Traute ihr nicht. Wusste er denn nicht, dass sie ihre Tochter niemals und unter gar keinen Umständen gefährden würde?
    Schließlich drehte er sich um und verschwand unter Deck.
    Imke zwang sich dazu, ruhig stehen zu bleiben. Am liebsten wäre sie an Deck gesprungen, doch dann hätte er sie beide in seiner Gewalt gehabt, und Imke hätte ihren einzigen Trumpf verspielt. Für eine Sekunde blitzte die Erkenntnis in ihr auf, dass sie dieser Situation nicht gewachsen war. Imke verdrängte sie schnell. Der Anblick ihrer Tochter ließ sie leise aufstöhnen. Das Mädchen, das dieses Ungeheuer da vor sich hertrieb, hatte kaum Ähnlichkeit mit Jette. Ihr Gesicht war blutverschmiert und übel zugerichtet. Schweißnass hingen ihr die Haare in die Augen.
    Er hatte ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt und dirigierte sie mit einem brutalen Griff um ihren linken Arm vorwärts. Jette hielt den Kopf gesenkt wie in Erwartung eines Schlags. Sie ließ die Schultern hängen und schien sich nur mit Mühe aufrecht halten zu können.
    Was hatte dieses Scheusal dem Mädchen angetan?
    Imke schluckte schwer.
    »Sie hat sich das selber zuzuschreiben«, sagte er. »Sie war nicht kooperativ.«
    »Jette? Liebes?« Imke achtete nicht auf seine Worte. »Ich bin hier.«
    Unendlich langsam hob Jette den Kopf.
    Imke zuckte zusammen. Der Ausdruck in den Augen ihrer Tochter passte absolut nicht zu ihrer armseligen Körperhaltung.
    »Mein Name ist Manuel«, sagte der Mann. »Sprich ihn aus.«
    »Manuel«, sagte Imke leise, den Blick fest auf Jette gerichtet.
    »Lauter!«
    Es schien ihm Spaß zu machen, sie zu demütigen. Hoch aufgerichtet stand er da. Selbstbewusst. Mächtig.
    »Manuel«, wiederholte Imke, und sie wusste, sie würde diesen Namen nie wieder über die Lippen bringen.
     
    Er raubte ihr den letzten Rest ihrer Würde. Zwang sie, seinen Namen auszusprechen, wie man einem Hund befiehlt, einem die Hände abzulecken.
    Meine Mutter sah mir in die Augen.
    Ich erkannte die
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