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Der Schatten des Horus

Der Schatten des Horus

Titel: Der Schatten des Horus
Autoren: Thilo P. Lassak
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Umweg über das Gehirn zu nehmen. Während der Kopf noch Fragen stellte, fand seine Hand schon das Messer in der Tasche und ließ es aufspringen. Er drückte es der rothaarigen Schlampe so fest an den Hals, dass die Klinge fast in ihrer rosigen Haut verschwand. Ein Zucken nur und er würde ihr die Kehle durchschneiden. Wie gerne würde er es tun! Sie hatte ihm einen Haufen Ärger mit Tanaffus eingebracht. Und jetzt auch noch das!
    »Eine falsche Bewegung und du bist so tot wie die Mumien da!« Die Augen der falschen Schlange verengten sich. »Warum bist du nicht gelähmt wie der Auserwählte?«, fragte er scharf.
    »Ich weiß es nicht«, presste die Göre hervor. »Vielleicht verstehe ich Ihre beschissenen Zaubersprüche nicht!«
    » Res! «, bellte Birger Jacobsen. Sofort warf der Junge den Kopf hin und her, als habe er sich den Nacken verrenkt, dann drehte er sich langsam um. An seinem Gesichtsausdruck las Birger Jacobsen ab, dass er ihn wiedererkannte. Natürlich.
    »Wi e … wie haben Sie uns gefunden?«, stammelte der Junge. »Ich habe Sie nie bemerkt. Weder Ihren Geruch noch Ihr scheußliches Gesicht.«
    »Wie wohl?«, antwortete Birger Jacobsen. Der Junge konnte ihn nicht provozieren, jetzt nicht mehr, so kurz vor dem Ziel. »Ein arabischer Freund hat die Drecksarbeit für mich erledigt. Jetzt habe ich mich bei ihm bedankt und ihn nach Hause geschickt.«
    »Yusuf!«, keifte der Junge. »Ich hab doch von Anfang a n …«
    »Halt den Mund!«, fuhr Birger Jacobsen dazwischen. Er musste sich umsehen. Warum das Mädchen nicht auf die Formel reagierte, würde er später untersuchen. Ja, diese Höhle, mit vierzig Metern unter der Sphinx exakt so tief wie ihre Versammlungshalle unter Manhattan, war über Jahrtausende Setepenseths Wohnsitz gewesen. Hier hatte er all das Wissen gesammelt, das die Gelehrten ihm aushändigen mussten, und so viel wie möglich davon studiert. Wenn die Überlieferungen stimmten, hatten ihn besonders die magischen Rituale beschäftigt. Der Wandschmuck legte nahe, dass diese Annahme richtig war. Mumifizierte Ibisse hingen dort zu Hunderten, die Verkörperungen von Thot, dem Gott der Schrift und der Weisheit. Ausgeweidete Krokodile gähnten ihm entgegen, Füchse und grotesk verrenkte Paviane. Singvögel in allen Farben waren ausgestopft und mit ungelenken Stichen wieder verschlossen worden. Jeder Quadratzentimeter der Kammer war vom Tod bedeckt, Setepenseth hatte unter einer Kuppel von Tierkadavern gelebt. Mit dem Fuß trat Birger Jacobsen gegen ein in der Mitte aufgeklapptes Warzenschwein. Das Tier baumelte wild hin und her. Dahinter wurde eine Öffnung in der Wand sichtbar. Birger Jacobsen spürte ein Kribbeln in sich hochsteigen. Wie eine ätzende Substanz bahnte sich das Gefühl seinen Weg durch die Adern. Die Kammer des Wissens, jetzt konnte ihn keine Macht mehr aufhalten, auch Tanaffus nicht!
    »Nimm deine Fackel in die Hand und dann rein da!«, befahl er dem Jungen. »Und versuch keine Tricks. Meine Hand ist heute sehr nervös!«
    Sidney Martins nickte verstört und verschwand hinter dem Warzenschweinkadaver. Birger Jacobsen stieß das Mädchen vorwärts. Ihre Schritte hallten von den Wänden wider.
    »Halt das Licht höher!«, zischte er. Sosehr sich die Taschenlampe auch anstrengte, sie konnte den riesigen Raum nicht ausreichend beleuchten. Sie standen im äußersten Bereich einer Halle, einer halben Kathedrale, groß genug um das Wissen der Menschheit in sich aufzunehmen. Die Wände des Felsendoms waren über und über mit Nischen versehen, bis unter die Decke in zehn Meter Höhe, Seite an Seite, es mussten Zehntausende sein. Jede von ihnen konnte zehn, zwanzig, hundert Papyrusrollen aufnehmen. Birger Jacobsen konnte nicht fassen, was er sah! Ungeduldig drängte er das Mädchen vor sich her, schubste es von Loch zu Loch, schaute hinein und lief weiter, immer tiefer in die Höhle hinein.
    »Leer!«, brüllte er. Und wieder und wieder: »Leer!« Die Gewissheit machte sich in seinem Körper breit wie ein gefräßiger Bandwurm. Von den Schriften fehlte jede Spur. Die Kammer des Wissens war leer, ausgeraubt, geplündert! Jemand musste alles fortgeschafft haben. Vielleicht aus Angst vor Entdeckung? Aber wo war all das jetzt?
    Plötzlich kullerte etwas über den nackten Boden. Hektisch fuhr Birger Jacobsen herum. Die Punkgöre schrie auf. Der Junge stand drei Meter von ihm entfernt und versuchte, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen. Doch neben dem Schuh des sa entdeckte er einen ovalen
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