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Der Schatten aus der Zeit

Der Schatten aus der Zeit

Titel: Der Schatten aus der Zeit
Autoren: Howard P. Lovecraft
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ich eine ziemlich konsequente Mischung aus Mythen und Halluzinationen, über deren furchtbare Tragweite ich zutiefst bestürzt war. Nur eines tröstete mich: die Tatsache, daß diese Mythen schon so früh existiert hatten. Durch welches verlorene Wissen Bilder von paläozoischen und mesozoischen Landschaften in diese primitiven Fabeln gekommen waren, darüber konnte ich keine Vermutungen anstellen; aber die Bilder hatten tatsächlich existiert. Daraus ergab sich ein Anhaltspunkt für die Entstehung einer fixierbaren Art von Wahnvorstellungen.

    Fälle von Amnesie bildeten zweifellos den allgemeinen Hintergrund für die Mythen, aber später mußten die phantastischen Hinzufügungen der Mythen eine Rückwirkung auf die unter Amnesie Leidenden ausgeübt und ihre Schein-Erinnerungen gefärbt haben. Ich selbst hatte all die alten Sagen während meiner Amnesie gehört und gelesen meine Nachforschungen hatten dies hinreichend bestätigt. War es deshalb nicht natürlich, daß meine späteren Träume und Vorstellungen von dem geformt und gefärbt wurden, was mir unklar aus jenem sekundären Zustand im Gedächtnis geblieben war?

    Einige der Mythen wiesen bedeutsame Parallelen zu anderen nebelhaften Legenden über die vormenschliche Welt auf, besonders zu jenen Hindu-Erzählungen, die ungeheuere Zeiträume umschließen und einen Bestandteil der Lehre der modernen Theosophen darstellen.

    Urzeitliche Mythen und moderne Wahnvorstellungen stimmten überein in der Annahme, daß die Menschheit nur eine und vielleicht die geringste der hochentwickelten, dominanten Rassen in der langen und weitgehend unerforschten Geschichte dieses Planeten sei. Wesen von unvorstellbarer Gestalt, so deuteten sie an, hatten in den Himmel ragende Türme erbaut und jedes Geheimnis der Natur enträtselt, bevor der erste amphibische Vorfahr des Menschen vor drei Millionen Jahren aus der heißen See gekrochen war.

    Manche dieser Wesen seien von den Sternen herabgekommen; einige wenige seien so alt wie das Universum selbst; andere hätten sich rasch aus irdischen Mikroben entwickelt, die so weit hinter den ersten Mikroben unseres Lebenszyklus zurück waren, wie diese Mikroben wiederum hinter uns zurück sind. Über Zeitspannen von Tausenden von Millionen Jahren und Verbindungen zu anderen Galaxien und Universen wurde berichtet. Nach diesen Legenden gab es tatsächlich keine Zeit im menschlichen Sinn.

    Aber die meisten der Legenden und Vorstellungen betrafen eine verhältnismäßig späte Rasse von Lebewesen, die eine sonderbare und komplizierte Gestalt hatten und keiner der Wissenschaft bekannten Form des Lebens ähnelten. Diese Rasse habe bis vor nur fünfzig Millionen Jahren vor dem Erscheinen des Menschen gelebt. Und sie sei die größte aller Rassen gewesen, weil nur sie das Geheimnis der Zeit enträtselt habe.

    Diese Wesen hätten alles gelernt, was jemals auf der Erde bekannt gewesen sei oder in Zukunft bekannt sein würde, dank der Fähigkeit ihres überragenden Geistes, sich in die Vergangenheit und die Zukunft zu versetzen, sogar über Zeiträume von Millionen von Jahren hinweg, und das Wissen jedes beliebigen Zeitalters zu studieren. Aus den Errungenschaften dieser Rasse seien alle Legenden von Propheten entstanden, einschließlich derer in der menschlichen Mythologie.

    In ihren gewaltigen Bibliotheken befänden sich Bände mit Texten und Bildern, in denen die Annalen der Erde in ihrer Gesamtheit festgehalten seien Geschichte und Beschreibungen jeder Spezies, die jemals existiert habe oder existieren würde, mit lükkenlosen Unterlagen über ihre Künste, ihre Errungenschaften, ihre Sprachen und ihre Psychologie.

    Mit diesem die Ewigkeit umfassenden Wissen suche sich die Große Rasse aus jeder Epoche und jeder Lebensform diejenigen Gedanken, Künste und Verfahren heraus, die ihrer eigenen Natur und Situation entsprächen. Das Wissen über die Vergangenheit, das durch eine Umstellung des Geistes auf andere Sinne gewonnen werden mußte, sei schwieriger zu erlangen als das Wissen über die Zukunft.

    Im letzteren Fall war das Verfahren einfacher und konkreter. Mit geeigneter mechanischer Hilfe müsse sich der Geist in eine zukünftige Zeit versetzen, indem er sich auf dunkle, außersinnliche Art seinen Weg bahne, bis er die gewünschte Periode erreicht hätte. Dann, nach einigen Versuchen, müsse er von dem besten auffindbaren Vertreter der am höchsten entwickelten Lebensform dieses Zeitalters Besitz ergreifen. Er dringe in das Gehirn dieses
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