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Der Schakal

Der Schakal

Titel: Der Schakal
Autoren: Frederick Forsyth
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ihnen blieb die Gruppe stehen. Nur der Minister für die Angelegenheiten ehemaliger Kriegsteilnehmer, der die Veteranen ihrem Präsidenten vorstellen würde, und ein zweiter Mann, der ein Samtkissen trug, auf dem zehn Medaillen und eine gleiche Anzahl farbiger Bänder lagen, folgten Charles de Gaulle.
    »Hier?« fragte Lebel. Er war stehengeblieben und deutete keuchend auf einen Hauseingang.
    »Ich glaube ja, Monsieur. Ja, hier war es. Der vorletzte Eingang. Hier ist er 'rein.«
    Der kleine Detektiv stürzte in den Hauseingang, und Valremy rannte ihm nach. Er war ganz froh, nicht mehr auf der Straße zu sein, wo ihr absonderliches Verhalten Aufsehen erregt und bei einigen der höheren Offiziere auf dem Bahnhofsvorplatz, die jetzt straffe Haltung annahmen, mißbilligendes Stirnrunzeln hervorgerufen hatte. Nun ja, wenn er sich deswegen zum Rapport würde melden müssen, könnte er immer noch sagen, daß der komische kleine Mann sich als Polizeikommissar ausgegeben und er, Valremy, ihn zurückzuhalten versucht habe.
    Als er in die Halle stürmte, rüttelte der Detektiv an der Tür zum Zimmer der Concierge.
    »Wo ist die Concierge?« schrie er. »Keine Ahnung, Monsieur.«
    Bevor er ihn noch daran hätte hindern können, hatte der kleine Mann die Milchglasscheibe mit dem Ellenbogen eingeschlagen, hindurchgelangt und die Tür geöffnet. »Kommen Sie!« rief er und rannte hinein. Und ob ich dir nachkomme! dachte Valremy. Du scheinst mir ja völlig durchzudrehen.
    Er fand den kleinen Detektiv in der Waschküche auf dem Fußboden kniend vor. Als er ihm über die Schulter blickte, sah er die Concierge gefesselt am Boden liegen. Sie war noch immer bewußtlos.
    »Donnerwetter.« Plötzlich dämmerte ihm, daß der kleine Mann doch kein Spinner, sondern tatsächlich ein Kriminalkommissar war und daß sie beide einen Verbrecher jagten. Dies war der große Augenblick, auf den er gewartet hatte. Er wünschte jetzt nur, er wäre schon wieder heil und wohlbehalten in der Kaserne zurück.
    »Oberstes Stockwerk«, rief der Detektiv und begann die Treppen in einem Tempo hinaufzuhetzen, das ihm Valremy, der seinen umgehängten Schnellfeuerkarabiner spannte und entsicherte, während er Lebel nachstürzte, nicht zugetraut hätte.
    Der französische Staatspräsident blieb vor dem ersten der angetretenen Veteranen stehen und beugte sich ein wenig zu dem Minister hinab, der ihm erklärte, wer der Mann war und welche Verdienste er sich auf den Tag genau vor neunzehn Jahren erworben hatte. Als der Minister seine Ausführungen beendet hatte, wandte sich der Staatspräsident dem Mann mit dem Kissen zu und nahm eine der darauf liegenden Medaillen zur Hand. Während die Kapelle leise »La Marjolaine« zu intonieren begann, heftete der hochgewachsene General dem vor ihm stehenden älteren Mann die Medaille auf die stolzgeschwellte Brust. Dann trat er einen Schritt zurück und salutierte.
    Sechs Stockwerke hoch und hundertdreißig Meter entfernt, hielt der Schakal das Gewehr sehr ruhig im Anschlag und visierte durchs Zielfernrohr. Ganz deutlich konnte er die Gesichtszüge erkennen, die vom Schirm des Képis beschatteten Brauen, den ernsten Blick, die bugartig vorspringende gewaltige Nase. Er sah ihn die salutierende Hand vom Mützenschirm nehmen, und jetzt befand sich die dargebotene Schläfe haargenau im Fadenkreuz des Zielfernrohrs. Sachte nahm er Druckpunkt und drückte dann ganz ruhig durch…
    Bruchteile von Sekunden später starrte er auf den Bahnhofsvorplatz hinunter, als könne er seinen Augen nicht trauen. Noch bevor das Geschoß den Lauf verließ, hatte der französische Staatspräsident unvermittelt den Kopf vorgebeugt. Während der Killer ihn in ungläubigem Staunen beobachtete, küßte er den Mann, der in straffer Haltung vor ihm stand, feierlich auf beide Wangen. Da er einen Kopf größer war als der Veteran, hatte er sich zu ihm vor-und hinabbeugen müssen, um diese bei solchen Anlässen in Frankreich und manchen anderen Ländern übliche, für Angelsachsen jedoch immer wieder verblüffende Geste zu vollführen. Man errechnete später, daß das Geschoß den Kopf des Präsidenten nur um Millimeter verfehlte. Ob er den Peitschenknall hörte, mit dem es auf seiner Flugbahn die Schallmauer durchschlug, ist nicht bekannt.
    Anzumerken war ihm jedenfalls nichts. Der Minister und der Mann mit dem Ordenskissen hatten nichts gehört, und diejenigen, die fünfzig Meter entfernt standen, ebensowenig.
    Das Geschoß bohrte sich in den von der Sonne
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