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Der Schädelschrank

Der Schädelschrank

Titel: Der Schädelschrank
Autoren: Jason Dark
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Liebesnest.
    Hier hatte sie dem Inquisitor zu Diensten sein müssen. Hier hatte er alles von ihr verlangen können, und er hatte sich manchmal benommen wie der Teufel persönlich, den sie von vielen Zeichnungen und Holzschnitten her kannte.
    Jetzt saß sie im Bett und schaute sich um. Sie zog einige Male die Nase hoch, wischte über ihr Gesicht und versuchte, nicht an die Schmerzen in ihrem Kopf zu denken.
    Kalt war ihr.
    Sie spürte auf der Zunge einen bitteren Geschmack, und sie fürchtete sich zugleich vor all dem Grauen, das sie hier erwartete, wenn sie nicht schlau genug war.
    Es war nicht leicht für sie, in diesen Zeiten zu überleben. Was man als Frau auch tat, nie benahm man sich so, dass die anderen Frauen zufrieden waren. Ein falsches Wort, ein falscher Blick, und man wurde als Hexe vor das Tribunal gestellt.
    Es war einfach grausam. Die Männer hatten die Macht, und die Frauen belauerten sich gegenseitig.
    Schönheit konnte leicht zum Tod führen, und bei ihr wäre das beinahe der Fall gewesen.
    Sie wartete darauf, dass etwas geschah. Im Zimmer selbst war es ruhig, und sie hörte auch aus dem Nachbarraum keine Stimmen. Aber man würde sie nicht lange allein lassen, denn man hatte sie nicht grundlos in diesen verdammten Raum gebracht.
    Er würde kommen, und das sehr bald...
    Sie sagte nichts. Nur ihr Atem war zu hören. In ihrem Innern mischten sich die Gefühle. Zum einen war es die Spannung, die sie umfasst hielt, zum anderen die Angst vor der Zukunft.
    Hatte sie den Henker überzeugen können? Zum einen Teil ja, sonst säße sie nicht hier, aber der große Schritt über den Graben war noch nicht getan.
    Es gab keine Uhr in diesem Zimmer, aber sie wusste, dass vor den Fenstern die Nacht lauerte. Das hatte sie im Gefühl. Sie strich sich mit beiden Händen durch das volle Haar. Das Kleid trug sie auch weiterhin. Sollte der Inquisitor bei ihr erscheinen, würde sie es schnell ausziehen. Dann wusste er, dass er mit ihr machen konnte, was er wollte. Dann war sie seine Dienerin und Sklavin.
    Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als sie aus dem Nebenraum Stimmen hörte. Jemand lachte auf, und sie erkannte, dass es das Lachen des Inquisitors war.
    Wie war das einzuordnen? Hatte er fröhlich gelacht oder hämisch und wissend?
    Sabrina wusste es nicht. Sie spürte nur die Gänsehaut, die sich auf sie gelegt hatte und sich dabei immer weiter ausbreitete, den Rücken hinabrieselte, um sich irgendwann festzusetzen.
    Schritte.
    Sie versteifte.
    Wenig später wurde die Tür aufgezogen. Sabrina hörte das leise Knarzen und drehte den Kopf. Sie hatte sich in den letzten Sekunden keine Gedanken darüber gemacht, wen sie erwarten sollte. Es trat nicht der Henker ein.
    Auf der Schwelle stand der Inquisitor!
    ***
    Das Licht aus dem dahinter liegenden Raum umschmeichelte ihn und gab ihm so etwas wie einen Heiligenschein. Er stand, ohne sich zu bewegen.
    Unter einem Inquisitor stellten sich die meisten Menschen einen Mann vor, der nicht nur eine große Macht besaß, sondern auch so aussah, als gehörte sie zu ihm. Also jemand, der groß war, der etwas darstellte und anderen Menschen Respekt einflößte.
    Das war bei diesem hier nicht der Fall. Als Machtmensch machte er eine fast lächerliche Figur. Er war nicht sehr groß. Recht dünn, sogar mickrig, und seine krumme Haltung ließ ihn fast nervös aussehen, was er aber nicht war.
    Er stand auf der Schwelle und schaute in einen Raum hinein, der viel zu groß für ihn schien. Auch seine Kleidung betonte die Lächerlichkeit noch. Er trug ein helles Hemd, das nicht in seiner schwarzen Hose steckte und viel zu groß für ihn war.
    Man konnte bei ihm von einem verschlagenen Rattengesicht mit einer gelblichen Haut sprechen.
    Dünne Lippen, eine spitze Nase und sehr blasse Augen vervollständigten die Erscheinung. Der magere bleiche Hals passte zum Körper. Dünne Schultern, dünne Arme und Hände mit langen Fingern, deren Nägel schon wie kleine Spinnen über Sabrinas nackten Körper geglitten waren.
    Er nickte.
    Sabrina versuchte zu lächeln. Seit dem Erscheinen des Mannes kochte in ihrem Innern ein Vulkan. Ihr war auch in der kurzen Zeit klar geworden, dass diese Nacht die entscheidende in ihrem Leben sein würde. Entweder tot oder lebendig. Etwas anderes kam nicht mehr in Betracht. Alles hing von der Gnade dieses mickrigen Kerls ab, dem Sabrina am liebsten den mageren Hals umgedreht hätte, Stattdessen aber mitspielte und ihn verführerisch anlächelte.
    »Da bist du ja endlich.
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