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Der Ruf des Kulanjango

Der Ruf des Kulanjango

Titel: Der Ruf des Kulanjango
Autoren: Gill Lewis
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tragen darf und wir nicht.«
    Ruth breitete ihre Karten auf dem Tisch aus. »Ich hab gehört, dass man ihre Ma in eine Irrenanstalt eingesperrt hat.«
    Sarah nahm eine Karte und tauschte sie gegen eine von ihren aus. »Mum hat gesagt, dass wir ihr aus dem Weg gehen sollen.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil sie eine Irre ist«, erwiderte Rob. »Hast du ja selbst gesehen.«
    Ich hob ein Sandwich für Iona auf, fand aber bis zum Nachmittagsunterricht keine Gelegenheit, es ihr zu geben. Die Lehrerin hatte Iona beauftragt, sich jemanden zu suchen, der mit ihr zusammen in der Bibliothek etwas für unser Klassenprojekt über Recycling erarbeitete, und sie hatte mich ausgewählt.
    »Danke«, sagte Iona. Sie schlang das Sandwich hinunter und wischte sich die Krümel vom Kinn.
    Wir saßen in einer Ecke der Bibliothek und hatten vor uns Bücher ausgebreitet.
    Außer uns war niemand im Raum. Durch die großen Seitenfenster strömten die Sonnenstrahlen herein.
    »Schau dir mal dieses Buch an«, sagte Iona.
    Sie setzte sich neben mich, öffnete ein großes Buch über die wild lebenden Tiere in Schottland und begann darin zu blättern.
    »Auf eurem Land gibt es eine Baummarderhöhle. Hast du das gewusst?«
    Ich beugte mich rüber und betrachtete das Foto eines Wesens, das auf dem Ast eines Baumes saß. Sein langer brauner Körper sah halb nach Katze, halb nach Wiesel aus. Einen Baummarder hatte ich bisher nur einmal flüchtig gesehen, nur sein Gesicht, als er über einen alten, umgefallenen Baumstamm spähte. Dann hatte er sich umgedreht, war im Unterholz verschwunden und ich hatte nur noch einen letzten Blick auf seinen buschigen Schwanz werfen können. Ich blätterte weiter. Iona schien von unserem Land mehr zu wissen als ich.
    »Ich hab schon mal Steinadler gesehen«, sagte ich.
    »Wirklich?« Iona sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Hab ich noch nie gesehen.«
    »Das war vergangenes Jahr. Auf der anderen Seite des Hügels«, sagte ich. »Wir können ja mal Ausschau halten.«
    Iona lächelte. »Gern.«
    Ich beugte mich hinüber zu Iona, um auf das Bild eines Rothirsches zu deuten. »Und wir haben diesen …«
    »Callum!«
    Ich zuckte zusammen. Die Tür zur Bibliothek hatte sichgeöffnet, ohne dass ich es bemerkte. Rob stand hinter uns und starrte mich an.
    Ich sprang auf.
    »Zeit zusammenzupacken«, knurrte Rob. Er sah Iona finster an.
    Iona blätterte weiter in ihrem Buch.
    Ich ignorierte sie und stellte die anderen Bücher in die Regale zurück.
    »Komm schon«, blaffte Rob. »Die Schule ist aus. Soll sie doch den Rest machen.«
    Ich folgte Rob durch die Tür auf den Schulhof. Wir zogen unsere Räder aus dem Ständer und drängten uns an den Mums und Dads vorbei, die am Schultor warteten. Eine gebückte Gestalt stand auf der anderen Straßenseite, der verrückte alte McNair. Als wir vorüberfuhren, bemerkte ich, dass unter seinem langen braunen Mantel Schlafanzughosen hervorguckten.
    »Fahren wir um die Wette«, sagte Rob.
    Ich trat wie irre in die Pedale und fuhr hinter Rob den Hügel hoch, aus dem Dorf hinaus. Als wir oben am Berg waren, blickte ich auf die Straße zurück. Das Dorf lag wie auf einer Landkarte ausgebreitet unter uns. Auf dem hellen Grün des Sportplatzes grasten ein paar vereinzelte Schafe, die wie Pünktchen aussahen. Man sah das Gemeindezentrum und den Laden und die steinernen Häuschen.
    Der Schulhof hatte sich geleert und die Autos schlängelten sich die schmalen Sträßchen entlang. Eine gebückteGestalt schlurfte langsam durch die südliche Straße aus dem Dorf hinaus. Hinterher ging eine kleinere Gestalt. Sie drehte sich um, blickte zu uns hoch und winkte.
    »Komm schon«, drängte Rob. »Worauf wartest du?«
    Ich winkte nicht zurück.
    Stattdessen wendete ich mein Bike in Richtung der steilen Abfahrt zur Shepherd’s Lane. Meine Reifen folgten die ganze Strecke hinunter den Spuren von Robs Rad.

Kapitel 8
    Am nächsten Morgen wartete Rob schon am Fuß unseres Feldwegs auf mich. »Und, was sagst du dazu?«, fragte er mit einem breiten Grinsen.
    Sein neues Mountainbike glänzte schwarz und silbern.
    »Oh Mann, du Glückspilz«, sagte ich, »ich hab ja ganz vergessen, dass du heute Geburtstag hast. Alles Gute!«
    »Ich war völlig von den Socken, dass mir Dad das hier schenkt«, sagte Rob. »Das ist ein Topmodell. Scheibenbremsen vorne und hinten. Shimano Nabenschaltung, Federgabel vorne, alles da. Und schau dir mal das an.« Er deutete auf ein kleines ovales Modul am Rahmen. »Das ist ein
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